Gedanken für den Tag

von Johanna Schwanberg, Kunstwissenschaftlerin und Direktorin des Wiener Dommuseums. "Revolutionär der Baukunst" - Zum 50. Todestag von Le Corbusier. Gestaltung: Alexandra Mantler

"Indem ich diese Kapelle baute, wollte ich einen Ort der Stille, des Gebets, des Friedens, der inneren Freude bauen. Das Gefühl des Heiligen beseelte unser Bemühen. Manche Dinge sind heilig, anderen sind es nicht - seien sie nun religiös oder nicht."

Diese Worte sprach der Jahrhundertarchitekt Le Corbusier, als er seine Sichtbeton-Kapelle Mitte der 1950er Jahre dem Bischof übergab. Die der Jungfrau Maria gewidmete katholische Wallfahrtskirche in der französischen Gemeinde Ronchamp versetzte die Welt aufgrund ihres organisch-skulpturalen Erscheinungsbildes in Erstaunen. Heute steht die Kombination aus Innen- und Außenkirche nicht nur für die Erneuerung des Sakralbaus im 20. Jahrhundert schlechthin. Vielmehr gilt die Kapelle als eine der Ikonen der modernen Architektur überhaupt.

Es fällt schwer, den Bau mit dem asymmetrischen Grundriss, den gekrümmten Wänden und dem gewölbten-hutartigen Dach in wenigen Worten zu beschreiben. Wie ein Tier oder ein anderer lebender Organismus steht das Gebäude auf der Anhöhe, nimmt durch Schwünge und Gegenschwünge auf die Landschaft Bezug. Es wirkt vielmehr gewachsen als gebaut. An einer Ecke fühlt man sich an ein Schiff erinnert, dann wiederrum möchte man von einer Muschel oder einem gespannten Zeltdach sprechen. An der Kapelle von Ronchamp begeistert mich, dass sie das Gefühl vermittelt, jedes Einzelelement ist Teil des Ganzen - und kann nur so und nicht anders aussehen.

Zum anderen überzeugt mich der Mut, mit dem Le Corbusier hier eine Jahrtausende alte sakrale Bauaufgabe gänzlich neu und gegenwärtig umgesetzt hat. Dies bedurfte aber auch einer vollkommenen Offenheit seitens der Kirche. Diese wurde Le Corbusier von dem Dominikanerpater Alain Couturier entgegengebracht. Durch seine Vermittlung gelangte der Architekt, wie auch andere Künstlerstars der Moderne, zu sakralen Aufträgen. So meinte Couturier: "Der Künstler ist von seinem Temperament her für die spirituelle Intuition prädestiniert und offen für den Geist, welcher weht, wo er will."

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Claude Debussy/1862 - 1918
Titel: Petite Suite für Klavier zu vier Händen
* En bateau - andantino (00:03:12)
Ausführende: Duo Crommelynck
Ausführender/Ausführende: Patrick Crommelynck /Klavier
Ausführender/Ausführende: Taeko Kuwata /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: Claves 508508

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