Warum die Wahl für die Briten eine Qual ist

Jetzt wird's ernst

Schleppendes Wirtschaftswachstum, horrende Staatsschulden - wer bringt Großbritannien wieder nach vorne? David Cameron, Gordon Brown und Nick Clegg legen am Donnerstag ihr politisches Schicksal und die Zukunft des Landes in die Hand der Wähler.

Aus dem Wahlkampf lassen sich drei Lehren ziehen:

Erstens, sag nie etwas Unachtsames in Gegenwart eines Mikrofons, es könnte eingeschaltet sein.

Die Pensionistin Gillian Duffy wollte nur ein Brot kaufen gehen. Sie traf zufällig auf den wahlkämpfenden Gordon Brown, kritisierte seine Einwanderungspolitik und fand sich Minuten später in einem medialen Sturm wieder. Der sichtlich müde Premierminister hatte Mrs. Duffy als borniert bezeichnet, ohne zu merken, dass er noch ein eingeschaltetes Mikrofon am Anzug trug.

Der peinliche Ausrutscher ist für die Medien der Höhepunkt des sonst so sorgfältig orchestrierten Wahlkampfs und ein schwerer Schlag für Gordon Brown. Sein Kampf ums Premierministeramt wirkt mittlerweile verzweifelt. Bei Labour wird schon an einer Strategie für die Zeit nach Brown gearbeitet, in abhörsicheren Räumen, versteht sich.

Zweitens, unterschätze nie Deinen Gegner, auch wenn er der bisher unbekannte Chef der Liberaldemokraten ist.

Die Live-Wahldebatte der Spitzenkandidaten im Fernsehen, noch dazu die erste überhaupt in der politischen Geschichte des Königreichs, ist in einen Talentwettbewerb umfunktioniert worden. Sie liefert erstaunliche Umfrageergebnisse. Nick Clegg, bisher Mr. Niemand, stiehlt allen die Show, wird als moderner Robin Hood gefeiert.

Immer mehr Briten outen sich als Anhänger seiner Liberaldemokratischen Partei. Sie haben erstmals die Chance bei der Regierungsbildung ein großes Wort mitzureden, wenn die vielen Nick-Clegg-Fans auch tatsächlich ihrer Begeisterung auf dem Stimmzettel Ausdruck verleihen.

Drittens, ein Babybauch allein ist nicht der Beweis, dass man das Kind schon schaukeln wird.

Es war die strahlende Meldung aus dem konservativen Lager zu Beginn des Wahlkampfs. Die Camerons sind guter Hoffnung, sie erwarten ihr viertes Kind, und die Wiege steht, wenn alles nach Plan läuft, in der Downing Street. Dorthin zu kommen, scheint für "Dave", wie ihn seine Samantha nennt, schwieriger als erwartet zu sein. Die Konservativen sind heute genauso unbeliebt wie zu Michael Howards Zeiten, daran konnte auch Davids Charme nichts ändern.

Die Briten haben ein tiefsitzendes Misstrauen gegenüber den Tories. Zweifeln, dass sie den notwendigen Wandel bringen und die Arbeiterklasse und ihre Sorgen verstehen. Samantha lächelt mit Babybauch in die Kameras, ihr Dave braucht ein starkes Mandat, eine absolute Mehrheit. Könnte eine schwere Geburt werden.

Großbritannien ist in einem paradoxen Zustand, noch nie hatte die Insel vor einem Urnengang mehr Informationen über die Parteiprogramme, noch nie waren die Kandidaten so stark auf dem Prüfstand und trotzdem sind die Wähler unentschlossener denn je. Sie wissen, jetzt wird es ernst.