Die Kunst, geliebt zu werden

Der Fall Alma Mahler-Werfel

Alma Mahler Werfel war eine selbstbewusste und talentierte Frau. Die Männer, deren künstlerische Begabung sie erkannte, spornte sie zu Höchstleistungen an. Gustav Mahler, Walter Gropius, Oskar Kokoschka und Franz Werfel sind nur die bekanntesten Kulturschaffenden, die Alma Mahler in ihren Bann zog.

Getrieben vom Lebenshunger führte sie ein exzessives Leben. Schonungslos gegenüber ihren Geliebten flüchtete sie sich in die Rolle der fordernden Muse, um sich im Glanz der Künstler zu sonnen.

Autobiografie mit Widersprüchen

Dichtung und Wahrheit liegen im Leben der Alma Mahler Werfel eng beieinander. Der Berliner Historiker Oliver Hilmes hat in jahrelanger Recherche die Spuren dieser schillernden Persönlichkeit verfolgt - und ist auf eine Fülle von Widersprüchen gestoßen.

"Ihre Autobiografie 'And the bridge is love', die sie in English veröffentlichte, unterscheiden sich inhaltlich von der Deutschen Ausgabe 'Mein Leben'", erzählt Oliver Hilmes. "So habe ich in Philadelphia ihren Nachlass eingesehen und bin auf ihre unveröffentlichten Tagebücher gestoßen."

Massive antisemitische Vorurteile

In Philadelphia entdeckte Hilmes auch den ersten Entwurf für ihre Autobiografie "Der schimmernde Weg", den Alma Mahler Werfel in den 1950er Jahren verfasste. Auf Anraten von Freunden, von Verlegern und ihrem Ghostwriter Willy Haas wurde der Text nicht veröffentlicht. Denn im "schimmernden Weg" formulierte Alma Mahler-Werfel massive antisemitische Vorurteile.

Das paradoxe an der Situation war: Zwei von ihren drei Ehemännern waren Juden. Alma Mahler-Werfels Freundeskreis in den Vereinigten Staaten bestand hauptsächlich aus Juden. Mit ihrem Antisemitismus aber trieb sie vor allem ihren dritten Ehemann Franz Werfel zur Verzweiflung.

Alma und die Musik

Als die 22-jährige Alma Schindler den Hofoperndirektor Gustav Mahler kennen lernte, notierte sie in ihrem Tagebuch: "Wenn wir soweit kommen, und ich werde die Seine, so muss ich schon jetzt mich gehörig rühren, um mir den Platz zu sichern, der mir gebührt - nämlich künstlerisch."

Gustav Mahler hatte jedoch klare Vorstellungen, was seine zukünftige Ehefrau tun - und was sie lassen sollte. Wenige Monate vor der Trauung schrieb er ihr in einem Brief: "Wie stellst Du Dir so ein komponierendes Ehepaar vor? Hast Du eine Ahnung wie lächerlich und später herabziehend vor uns selbst, so ein eigentümliches Rivalitätsverhältnis werden muss?"

Die große Liebe vor Mahler

Im Zentrum des Konfliktes stand der Komponist Alexander Zemlinsky. Er war Almas große Liebe gewesen, bevor sie von Gustav Mahler umworben wurde. Bei ihm hatte sie Musik - und Kompositionslehre studiert. Gustav Mahler bezog sich darauf, als er Alma abriet, auch nach der Hochzeit bei Zemlinsky Stunden zu nehmen. Mahler stellte Bedingungen und Alma akzeptierte sie. Doch Almas Verzicht entzweite das Paar von Anfang an.

Die wachsende Distanz zwischen den Eheleuten konnten auch die beiden Kinder nicht überwinden, die Alma gebar. Als die jüngere Tochter Maria an Diphterie starb, entfremdete sich das Ehepaar immer mehr. Gustav Mahler konzentrierte sich auf seine internationalen Auftritte. Er reiste nach Paris und New York und feierte mit seinen Konzerten triumphale Erfolge. Alma erholte sich in einem Wildbad-Sanatorium in der Nähe von Graz. Dort lernte sie den jungen Architekten Walter Gropius kennen, und sie verliebte sich in ihn.

Neu erwachtes Interesse nach Affäre

Als Gustav Mahler von dem Verhältnis erfuhr, war sein Interesse an Alma neu erwacht. Er überschüttete seine Frau mit Liebesbeweisen: Er widmete ihr die 8. Sinfonie und nahm sich ihrer Jugendkompositionen an, in dem er vorschlug, die Lieder gemeinsam zu überarbeiten.

Gustav Mahlers Werben hatte Erfolg: Alma engagierte sich wieder in der Beziehung. Sie interessierte sich für seine Arbeit und begleitete ihn auf den Konzertreisen. Im Oktober 1910 für das Paar nach New York. Doch Gustav Mahler erkrankte schwer. Das Paar kehrte nach Wien zurück. Mahlers 10. Symphonie blieb unvollendet. Er verstarb am 18. Mai 1911 in Wien. Seine junge Witwe Alma widmete sich fortan dem Nachlass ihres Gatten. Die eigene kompositorische Tätigkeit war aus ihrem Blickfeld gerückt. Die wenigen, von Gustav Mahler überarbeiteten Lieder erschienen erst Jahre später.

Alma und die Männer

Alma Mahler Werfel war eine Sammlerin. Ihre Leidenschaft beschränkte sich aber nicht auf Objekte. Sie sammelte Menschen. Künstler. Intellektuelle. Musiker. Mit einem untrüglichen Sinn für Begabungen scharte sie noch unentdeckte Talente um sich und spornte sie zu Höchstleistungen an. Und zwar Kraft ihres Eros.

Ein Jahr nach dem Tod Gustav Mahlers lernte Alma im Haus des Stiefvaters Karl Moll den jungen Oskar Kokoschka kennen. Mit ihm verband sie eine leidenschaftliche Affäre, aus der sie sich in die Ehe mit dem Architekten Walter Gropius rettete.

Alma-Puppe als Ersatz

Oskar Kokoschka, der die Trennung von seiner Geliebten nur schwer ertrug, ließ eine lebensgroße Alma-Puppe anfertigen. Auf einem exzessiven Fest in Dresden hackte Kokoschka der Puppe den Kopf, übergoss sie mit Wein und warf sie aus dem Fenster.

Almas Verbindung mit dem Architekten hielt nicht. Während der Kriegsjahre waren sie und Walter Gropius immer wieder getrennt. Auch die Geburt der gemeinsamen Tochter Manon konnte die Verbindung nicht festigen. Alma notierte im Winter 1917 in ihr Tagebuch: "Eine große Freude täte mir Not."

Und diese fand sie in der Person Franz Werfels. 1917 lernte sie den Dichter kennen. Sein Werk war ihr vertraut. Denn zwei Jahre zuvor hatte sie sein Gedicht "Der Erkennende" vertont. Doch es war weniger die Literatur, es war die Musik, die sie mit Werfel verband.

Die Kunstmäzenin

Alma definierte die Marke Franz Werfel am Literaturmarkt - und Franz Werfel konnte ihren Erwartungen entsprechen. Ihre Rolle als Muse und Förderin beschränkte sich aber nicht nur auf den Dichter. Alma Mahler Werfel hatte einen Instinkt für künstlerische Begabungen entwickelt. Ihr Urteil war gefragt. Und wenn sie jemanden entdeckte, wenn sie das Werk als innovativ erkannte, so war sie bereit, etwas dafür zu tun.

Jahrelang unterstützte sie finanziell den Komponisten Arnold Schönberg. Sie finanzierte den Druck von Alban Bergs Oper "Wozzeck" und verhalf dem Werk zur Uraufführung in Berlin. Erich Kleiber dirigierte, und der "Wozzeck" wurde Alban Bergs künstlerischer Durchbruch.

Los Angeles und New York

Ihre Fähigkeit, unterschiedlichste Künstler und Literaten miteinander ins Gespräch zu bringen, halfen ihr in der Emigration in den USA die soziale Isolation zu überwinden. Ihr Haus in Los Angeles wurde zum Mittelpunkt des sozialen Lebens. Musikern wie Arnold Schönberg, Erich Wolfgang Korngold, Schriftsteller wie Thomas Mann, Friedrich Torberg und Erich Maria Remarque standen auf der Gästeliste des Hauses Mahler-Werfel. Doch nach dem Tod ihres Mannes entschloss sich Alma, nach New York zu ziehen, wo sie ihre restlichen Lebensjahre verbrachte.