Russland-Experte kritisiert beide Seiten
Österreich "ungeschickt", Litauen "hysterisch"
Österreich hätte sich die Querelen um den Ex-KGB-Mann Golovatov ersparen können, wäre man weniger gründlich gewesen, sagt der Russland-Experte Gerhard Mangott im Ö1-Interview. Er betrachtet es als plausibel, dass Österreich russischem Druck nachgegeben hat. Dabei sei man aber ungeschickt vorgegangen. Und auch Litauen reagiere überzogen.
8. April 2017, 21:58
"Druck nicht überraschend"
Russland-Experte Gerhard Mangott im Ö1-Mittagsjournal-Interview am 21.07.2011 mit Fabio Polly
Verständlicher Druck Russlands
Russland-Experte Gerhard Mangott geht davon aus, dass es im Fall Golovatov russischen Druck auf Österreich gegeben hat. Das sei ja auch die Aufgabe eines Heimatlandes, so Mangott. "Es lässt sich aber nicht sagen, dass, wenn es diesen Druck gab, er auch verantwortlich dafür war, dass die Staatsanwaltschaft Golovatov enthaftet hat. Ich wäre aber nicht überrascht darüber, wenn es so gewesen ist."
Nachgeben wäre "plausibel"
Mangott hat Hinweise, dass Moskau dabei nicht nur mit dem österreichischen Außenministerium, sondern auch mit dem Justizministerium Kontakt hatte. So gebe es informelle Aussagen einer verlässlichen Quelle im russischen Außenministerium gegenüber der russischen Tageszeitung "Komersant", dass es "Demarchen" gegeben habe, die in Wien genau analysiert worden seien. Belege gebe es - wenig überraschend - nicht, allerdings sei es plausibel, dass Österreich dem an sich üblichen und verständlichen Druck Moskaus nachgegeben habe.
"Ungeschickte Ausführung"
Dennoch kritisiert Mangott die Vorgangsweise: Es könne durchaus sein, dass ein Nachgeben bei Abwägung der Folgen im nationalen Interesse Österreichs liegt. "Wenn das aber so gewesen sein sollte, dann ist die handwerkliche Ausführung der Enthaftung bemerkenswert ungeschickt erfolgt", bemängelt der Experte. Konkret hätte Österreich den litauischen Behörden mehr Zeit einräumen müssen, ein Dossier mit konkretem Tatverdacht vorzulegen. Mangott erachtet es aber ebenfalls als "erstaunlich", dass Litauen nicht innerhalb kurzer Zeit ein rechtlich einwandfreies Dossier vorlegen konnte.
Litauen "hysterisch"
Mangott kritisiert aber auch die litauische Reaktion als überzogen: "Die Debatte in der litauischen Elite und Öffentlichkeit ist bizarr und gleichsam hysterisch. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum die litauische Regierung diesen Konflikt derart eskaliert." Stattdessen wäre ein Aufruf zur Mäßigung höchst notwendig, so Mangott.
Österreich zu gründlich?
Auffällig ist auch, dass Golovatov im Besitz eines Schengen-Visums war und bereits acht andere Länder unbehelligt besucht hat, bevor er in Österreich festgehalten wurde. Mangotts Erklärung dafür: Offenbar waren diese Länder nicht so gründlich wie Österreich und wollten das wohl auch nicht sein. "Auch Österreich hätte sich viele Debatten ersparen können, wäre man nicht so gründlich gewesen", meint der Russland-Experte.
Langversion des Mittagsjournal-Interviews
Russland-Experte Gerhard Mangott im Gespräch mit Fabio Polly