Serie "Theater im Abseits" - Teil 8

Das Ateliertheater im Porträt

Das Ateliertheater ist Wiens ältestes Kleintheater. 1932 wurde es am Naschmarkt gegründet - mittlerweile ist es in der Burggasse im 7. Bezirk beheimatet. Es hat eine wechselvolle Geschichte und blickt in eine ungewisse Zukunft.

Kulturjournal, 10.10.2011

Das Ateliertheater hat schon viele Namen gehabt, verschiedene Standorte und eine Reihe von Direktoren. 1932 am Wiener Naschmarkt gegründet, hieß es zuerst Literatur am Naschmarkt, später Kaleidoskop und erst Veit Relin, der das Theater 1960 übernahm, nannte es Ateliertheater. Auf Veit Relin folgte 1967 Peter Janisch, und er prägte das Haus in seiner fast 40-jährigen Direktionszeit wie kein anderer.

"Ich habe nie mich danach gerichtet, nur moderne Stücke und Uraufführungen zu bringen", meinte er 1974 in einem "Mittagsjournal"-Interview. "Grundsätzlich bin ich immer von dem Standpunkt ausgegangen, Dichtungen zu bringen und Dichter zu spielen. Das schließt mit ein, dass es Uraufführungen sind."

Theater musste Tiefgarage weichen

Von den Medien wurde das Theater damals noch stark wahrgenommen, man spielte Gombrowicz, Kroetz und Wolfgang Bauer, und konnte auf Regisseure wie Achim Benning oder Schauspielerinnen wie Elisabeth Orth verweisen.

Das Theater am Naschmarkt musste einer Tiefgarage weichen, zwei Jahre war es in der Lerchenfelderstrasse untergebracht, nun ist es im ehemaligen Star-Kino, Burggasse 71, beheimatet. Ein generalsaniertes Haus, dessen 50er-Jahre-Portal originalgetreu nachgebaut wurde. Innen herrscht ein schräger Stilmix aus 50er-Jahre-Design neben Stilmöbeln aus dem 19. Jahrhundert, zeitgeistig rosa-orangen Wänden vor zeitlosen Trockenblumengestecken, knallbunten Ölbildern eines jungen Künstlers neben gerahmten Schwarz-Weiß-Stichen.

Bunt gemischter Spielplan

Auch auf dem Spielplan seit zehn Jahren bunt Gemischtes: Werke von Nestroy und Schiller, Schnitzler, Shakespeare, Mitterer und Turrini. Und zwar werkgetreu, so der Leiter Manfred Tscherne: "Weil wir Theater spielen, wie viele Leute es wollen. Es kommen viele Leute zu mir, die sagen: Gott sei Dank sehen wir bei ihnen die Stücke noch so, wie der Autor sich das Stück vorgestellt hat. Und das ist heute anscheinend nicht mehr gefragt. Schauen sie sich die Premieren rundherum an. Schauen sie sich 'Das weite Land' im Burgtheater an - nicht umsonst hat der Herr Brandauer die Hauptrolle in dem Stück abgesagt."

Bei seiner klaren Absage an das sogenannte "Regietheater" geht Tscherne aber noch einen Schritt weiter: "Die Aufgabe eines Regisseurs ist es bitte, den Schauspielern zu helfen, ihren Job zu machen. Der Schauspieler steht am Abend auf der Bühne und trägt seine Haut zu Marke. Aber es ist in keinster Weise notwendig, dass ich als Regisseur bei einer Produktion erwähnt werde. Die Schauspieler spielen das Stück."

Theater der "alten Schule"

Und die fühlen sich bei solcher Wertschätzung natürlich besonders gut aufgehoben, wie etwa John Fricke, der seit 20 Jahren immer wieder am Ateliertheater spielt: "Beim Theater bin ich, oder denke ich konservativ. Und das ist ein Theater, wie es so nach der alten Schule gemacht wird", so Fricke.

Dort wo einst die Avantgarde blühte, Sperriges, Politisches und Experimentelles geboten wurde, gedeiht heute der Konservativismus. Während sich die großen Bühnen um die Öffnung, die Brechung und neue Formen des Theatralen bemühen. Der Paradigmenwechsel am Theater ist nicht neu, im Ateliertheater wird er aber ganz besonders deutlich. Hier gibt man den Menschen, was sie offensichtlich sehen wollen - auch aus pragmatischen Gründen, damit das Theater zumindest für 50 oder 60 Prozent ausgelastet ist.

Man orientiert sich am Geschmack des Publikums, auch wenn das Fahrwasser immer seicht wird: "Einfach gehobene Komödie, Feydeau etwa, weil selbst einen Krimi - und wir haben sehr viele gespielt, die sehr gut gegangen sind - kann heute das Fernsehen und der Film viel besser behandeln, als wir auf der Bühne", konstatiert Tscherne.

Das aktuelle Stück

Apropos Film: Seit Samstag steht "Der Name der Rose" auf dem Spielplan. Das Stück wird mit geringen Mitteln umgesetzt, das Bühnenbild ist schlicht. Muss es sein, das Geld ist seit 2005 knapp. Das war das Jahr der Theaterreform, Manfred Tscherne hatte das Theater eben von Peter Janisch übernommen und die Jury befand das Ateliertheater als nicht förderungswürdig.

Überleben trotz Theaterreform

Vielleicht hätte man es damals einfach in Würde sterben lassen sollen, doch eine vorangegangene kostspielige Renovierung und heftige Proteste sorgten dafür, dass sich der Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny über das Juryurteil hinwegsetzte und weitersubventionierte - allerdings um 50 Prozent reduziert. Manfred Tscherne geht mit 1. Jänner 2012 in Pension.

Das Theater in der Form, so ist er Realist genug, wird es dann nicht mehr geben. Und ob man für das langsame Verschwinden des Ateliertheaters das Publikum, die neue Zeit und ihre Veränderungen, die Wirtschaftskrise oder doch den Stadtrat verantwortlich machen soll, das ist schwer zu beurteilen.

Textfassung: Rainer Elstner

Service

"Der Name der Rose", noch bis 4. November 2011, Ateliertheater

Ateliertheater