Finanzexperte Daniel Gros im Ö1 Interview
"Der Euro steht und fällt mit Italien"
Mit dem Beschluss, ein Referendum über die Hilfsmaßnahmen abhalten zu wollen, torpediert Griechenland die Stabilisierungsbemühungen der Euro-Partner. Laut Daniel Gros, Ökonom und Chef des Centers for European Policy Studies, liegt die Zukunft des Euro nun in den Händen von Ländern wie Italien.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 3.11.2011
Daniel Gros im Interview mit Raimund Löw
"EU realtiv machtlos"
Für die Finanzmärkte brechen unsichere Zeiten an. Denn Griechenland habe gezeigt, dass auch souveräne Staaten der Eurozone einfach sagen können: Wir wollen unsere Schulden nicht bezahlen. "Darum fragen sich die Finanzmärkte in erster Linie, ob Italien oder Portugal die nächsten Kandidaten sein können", so der Finanzexperte. Und so lange darüber Unsicherheit herrsche, werde es wohl weiterhin sehr schwer sein, den Euro zu stabilisieren.
Die Europäischen Partner können zur Beseitigung dieser Unsicherheit wenig tun, glaubt Gros. Vielmehr würde die Verantwortung dafür in den Händen einzelner Ländern, wie zum Beispiel Italien liegen. "Der Euro steht und fällt mit Italien. Wenn das Land ein Reformprogramm zustande bringt, seine Wirtschaft und seine Finanzen stärkt, dann kann der Euro überleben oder sogar stärker werden als vorher", so der Ökonom.
"EZB kann Griechenland aus Euro werfen"
Bisher hat es seitens der Politik stets geheißen, ein Austritt eines Landes aus der Eurozone sei undenkbar. Jetzt legen die Euro-Partner Griechenland den Austritt nahe, sollte das Referendum negativ ausgehen. Daniel Gros erklärt sich diesen Meinungsumschwung so: "Die Politik ist immer von einem Wunschdenken geprägt. Man hat eben gedacht, was nicht sein kann, das nicht sein darf. Wir sehen, dass die Staaten in der Realität souverän bleiben und dass diese Souveränität beim Volk liegt."
Allerdings sehen die EU-Verträge keinen Austritt aus der Eurozone vor. Ein Austritt sei trotzdem möglich, glaubt Gros, denn das griechische Bankensystem sei sind mit dem Euro nur über die europäische Zentralbank (EZB) verbunden. "Und die EZB kann Griechenland mit einem Knopfdruck aus dem Euro herausbefördern."
Kontensperre für griechische Bankkunden
Die folgende Entwicklung beschreibt Gros so: "Wenn Sparer in Griechenland versuchen, ihr Geld von den Banken abzuziehen, aber nicht genug Geld da ist und auch die EZB kein Geld mehr nachschießt, wird es ein Währungschaos geben." Die Griechen würden dann Konten besitzen, die zwar Euro-Beträge aufweisen, könnten damit aber nichts mehr anfangen, da sie das Geld weder abheben, noch ins Ausland transferieren können, analysiert Gros. "Und dann ist es wohl unausweichlich, dass die Regierung eine neue Währung einführt."
Sollte sich an der Gesamtsituation in der Eurozone nicht bald etwas ändern, und die extremen Turbulenzen und Unsicherheiten der letzten Wochen weiter andauern, sieht Gros schwarz: "Dann wird die Wirtschaft in den Südstaaten so sehr den Bach runtergehen, dass am Ende ein Zusammenbruch des Euros nicht mehr zu vermeiden ist."