Politologen sehen Koalitions-Auslotungen

Schuldenbremse als Vorwahlkampf

Die Streitereien in der Koalition über die Verhandlungen zur Schuldenbremse sind schon ein erster Vorwahlkampf, zumindest Koalitions-Auslotungen der Parteien, darin sind sich Politologen einig. In Krisenzeiten wie diesen würden die unterschiedlichen Positionen von SPÖ und ÖVP deutlich erkennbar. Und beide wollen sich schon positionieren. Mit baldigen Neuwahlen rechnen die Politologen aber nicht.

Mittagsjournal, 16.12.2011

Fortgeschrittene Zerrüttung

Eigentlich müssten SPÖ und ÖVP eine Interesse haben an einem gemeinsamen harmonischen Auftreten. Das wäre aus Sicht von Politologen jedenfalls notwendig für eine gute Bewältigung der Wirtschaftskrise und Schaffung einer Schuldenbremse. Der Koalitionsstreit sei kontra-produktiv. Der Politikwissenschafter Peter Filzmaier meint, es sei politisch strategisch unklug. Für Politologen Fritz Plasser zeigt sich jetzt deutlich eine fortgeschrittene Zerrüttung zwischen den beiden Regierungsparteien. Und der Politikberater Thomas Hofer meint, es sei viel politische Taktik dabei und weniger die große Strategie.

Neue Koalitionen ausprobieren

Für alle drei zeigt sich in diesem Streit schon ein Schielen nach oder Ausprobieren von künftigen Regierungs-Varianten. Peter Filzmaier ortet bereits Koalitions-Spekulationen. SPÖ und ÖVP würden befürchten, nach der nächsten Wahl keine gemeinsame Mehrheit mehr zu bekommen, deshalb würde man Koalitionspartner suchen. Hier kämen Grüne und BZÖ ins Spiel, oder eine andere Variante seien für die ÖVP die Freiheitlichen.

ÖVP denkt an FPÖ

Fritz Plasser sieht hingegen keine generelle Strategie der ÖVP. Allerdings würden maßgebliche Gruppierungen in der ÖVP diese Option ernsthaft erwägen. Es sei ein weiterer Sondierungsversuch die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit der FPÖ in einer Regierungskoalition auszuprobieren, so Plasser.

Bereits Vorwahlkampf

Die künftigen Schuldenbrems- und Sparpläne liefern Munition für den nächsten Wahlkampf, sagt Thomas Hofer. Es sei sicher eine Art Vorwahlkampf. Es werde bei der Schuldenbremse entscheidend sein, wie sie ausgestaltet wird. Wenn sie mehr in Richtung Ausgabenkürzung geht, könne die ÖVP von sich sagen, sie habe sich durchgesetzt. Das gleiche gelte für die SPÖ: wenn sie eine weitreichende Vermögenssteuer durchsetze, dann sei sie der wahrgenommene Sieger. Damit positioniere man sich schon in Richtung nächster Wahlkampf.

Vorgezogene Wahlen würden bestraft

Trotz der Zerwürfnisse in der Koalition rechnen die Politologen damit, dass die SPÖ-ÖVP-Zusammenarbeit hält. Auch wenn das Koalitionsklima stark verschlechtert sei, seien die Koalitionspartner weiter aneinander gekettet, so Hofer. Auch Peter Filzmaier sieht keine Gefahr von Neuwahlen. Und Fritz Plasser meint, dass beide Parteien wüssten, dass die Wähler vorgezogene Neuwahlen bestrafen würden.