Bruckmüller zur Situation in Österreich

"Zu wenig Korruptionsbewusstsein"

In Österreich gebe es zu wenig Korruptions- bzw. Antikorruptionsbewusstsein, sagt der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Ernst Bruckmüller. Der Universitätsprofessor im Ruhestand hat gemeinsam mit acht anderen Autoren ein Buch mit dem Titel "Korruption in Österreich - Historische Streiflichter" herausgebracht.

Mittagsjournal, 20.3.2012

Korruptionsfälle werden heute häufiger aufgedeckt

Ob derzeit die korrupteste Phase der österreichischen Geschichte stattfindet, kann auch Bruckmüller nicht beantworten. Es gebe keine echten Vergleichsmöglichkeiten über die Jahrhunderte hinweg. "Was sicher der Fall ist, dass fragwürdige Vorgänge eher bekannt und aufgedeckt werden", sagt er im Ö1-Mittagsjournal.

Es gebe aber Veränderungen bei der Korruption. Das Phänomen habe sich von der Beamtenschaft der klassischen Hoheitsverwaltung wegbewegt. Heute sei dort "Korruption allgegenwärtig", wo der Staat oder eine andere öffentliche Körperschaft als "monopolistischer Nachfrager" auftritt, meint Bruckmüller. Es ginge dabei primär um Waffen, aber auch um Eisenbahnen und alle große Dinge, die nur von einer einzigen Institution benötigt werden.

"Bewusstsein für Anstand nicht hoch entwickelt"

Dass das Strafrecht immer mehr in den Mittelpunkt der Korruptionsbekämpfung rückt, begrüßt Bruckmüller. Das reine Transparentmachen, das Veröffentlichen von Zahlungen sei dem Wirtschaftshistoriker zu wenig. "Österreich ist eine Gesellschaft in der das Bewusstsein, was man tut und was sich gehört und was sich nicht gehört, nicht besonders hoch entwickelt ist", stellt Bruckmüller fest.

"Parteienförderung großzügig genug"

Das Argument, dass die "versteckte Parteienfinanzierung" durch Wirtschaftsunternehmen auch der Demokratie diene, lässt Bruckmüller nicht gelten. In einem gewissen Sinn wäre das der Fall, aber die österreichischen Parteien würden vom Staat bereits großzügig gefördert. "Sie sollten damit auskommen", findet Bruckmüller.

Der Historiker hofft, dass bereits an den Schulen mehr Unrechtsbewusstsein im Bezug auf Korruption geschaffen wird. Immerhin gehe es um Gelder die schließlich alle als Steuerzahler bezahlt haben oder bezahlen werden.