An der Grenze zur Korruption

Jagdeinladungen: Frage nach der Moral

Dass der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) für seine Jagdabschüsse im Wert von mehreren tausend Euro vermutlich nicht selbst bezahlt hat, sehen Anti-Korruptionsexperten als strafrechtlich nicht relevant. Allerdings stelle sich die Frage der moralischen Vertretbarkeit. Zu diesem Schluss kam am Abend die Diskussionsreihe "Klartext" im Wiener Radiokulturhaus.

Morgenjournal, 28.3.2012

"Nicht unbedingt moralisch vertretbar"

Rein private Jagdeinladungen unter persönlichen Freunden seien unproblematisch, sagt der Antikorruptionsexperte Franz Fiedler von Transparency International. Anders sei das bei Jagdeinladungen aus der Wirtschaft oder von Bürgermeistern - schließlich führe eine Landesregierung ja die Gemeindeaufsicht. Fiedler fragt, "ob es klug ist, jede Jagdeinladung anzunehmen, ohne sich zuvor darüber im Klaren zu sein, welches Bild das bietet in der Öffentlichkeit. Ich würde nicht sagen, dass das kriminell ist, sondern dass es sich um eine nicht unbedingt moralisch vertretbare Vorgangsweise handelt, die nur allzu leicht in die Korruption abgleiten könnte", so Fiedler.

"Müsste man näher prüfen"

Auch Christian Pilnacek vom Justizministerium spricht die Grenze zwischen Moral und Strafrecht an. Denn in einem Fall wie bei Platter stehe die Frage der "Zweckrichtung der Einladungen" im Mittelpunkt, so Pilnacek. "Wenn das Einladungen von Bürgermeistern sind oder von staatsnahen Unternehmen, die in der öffentlichen Auftragsvergabe eine Rolle spielen, dann ist das schon etwas, was man näher prüfen müsste im Hinblick auf Tatbestandsmäßigkeit."

Kritik an Gesetzeslage

Der auf Parteifinanzen spezialisierte Politikwissenschaftler Hubert Sickinger kritisiert, dass das sogenannte Anfüttern von Politikern in Österreich erlaubt ist, also das Gewähren von Geschenken und Vergünstigungen, um gute Stimmung für sich zu machen: Bei den von der Telekom Austria finanzierten Jagden auf dem Gut von Alfons Mensdorff-Pouilly sei klarerweise die Beziehungspflege im Vordergrund gestanden, zugleich seien Amtsträger zu einem geldwerten Vorteil eingeladen worden.

"Maß des Erträglichen überschritten"

Der Ökonom Friedrich Schneider von der Universität Linz wiederum sagt, man solle die Kirche im Dorf lassen, Jagdausflüge mit Freunden seien in Ordnung. Er nimmt dann aber Bezug auf die im Korruptions-Untersuchungsausschuss aufgebrachten Jagdeinladungen der Telekom Austria und meint, dass bei Jagdausflügen im Learjet nach Schottland "das Maß des Erträglichen überschritten" sei. Politiker sollten mehr Gespür dafür entwickeln, was sie tun könnten und was nicht, selbst wenn es rechtlich nicht belangbar sei. Bei einer Jagdeinladung um die halbe Welt zu fliegen, sei sicher nicht in Ordnung, so Schneider, bei den Jagden in Tirol sei der Einzelfall zu prüfen.