Umfragen: Stichwahl Sarkozy - Hollande
Letzter Wahlkampftag um Präsidentschaft
Am Sonntag findet in Frankreich der erste Durchgang der Präsidentschaftswahlen statt. Um Mitternacht endet der offizielle Wahlkampf. Sämtliche Umfragen sagen dem sozialistischen Kandidaten Francois Hollande den Sieg vorher. Die Unentschlossenen könnten aber noch für eine Überraschung sorgen.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 20.4.2012
Eva Twaroch aus Paris über die letzten Umfrageergebnisse
Sieg schon im ersten Durchgang?
Mehrmals hat der amtierende französische Präsident Nicolas Sarkozy (UMP) in den letzten Wochen versucht, das Ruder herumzureißen, um seine Wiederwahl für eine zweite Amtszeit zu sichern. Laut sämtlichen Umfragen blieben allerdings alle Versuche unfruchtbar. Der sozialistische Kandidat Hollande (PS) kann demnach bei der Stichwahl am 6. Mai mit einer klaren Mehrheit von 53 bis 56 Prozent der Stimmen rechnen. Selbst im ersten Durchgang am kommenden Sonntag könnte er einer jüngst veröffentlichten Umfrage des Instituts CSA zufolge die Nase vorn haben.
Das zentrale Element von Hollandes Wahlprogramm ist die Stärkung des Sozialstaates. So will der Sozialist wieder die Alterspension mit 60 Jahren einführen, 60.000 zusätzliche Posten im Schulwesen in fünf Jahren sowie 150.000 Arbeitsplätze für Jugendliche schaffen und das EU-Budgetabkommen neu verhandeln, um von der reinen Sparpolitik zugunsten einer Politik zur Ankurbelung des Konjunkturaufschwungs Abstand zu nehmen.
Aufholjagd von Sarkozy
Um den anhaltenden Rückstand in den Meinungsumfragen wettzumachen, hat Präsident Sarkozy die Themen seines Konkurrenten teilweise selbst übernommen. So sprach er sich vergangenen Sonntag etwa dafür aus, der Europäischen Zentralbank (EZB) künftig eine Rolle zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums zu verleihen. Er löste dadurch Kritik bei den europäischen Partnern - insbesondere in Deutschland - aus, ohne die öffentliche Meinung in Frankreich wirklich zu überzeugen. In den vorangegangenen Wochen hatte Sarkozy durch seine Vorzugsthemen - Immigration und Sicherheit - zu punkten versucht, allerdings ohne große Erfolge in den Meinungsumfragen.
Melenchon contra Le Pen
Die große Überraschung in diesem Wahlkampf war der Linksaußen Jean-Luc Melenchon, Vertreter der "Linksfront", einem Bündnis der Kommunisten (PCF) und der von ihm gegründeten "Linkspartei" (PG). Der 60-jährige Europaparlamentarier wetteifert mit der Rechtsaußen-Vertreterin Marine Le Pen, Kandidatin der "Front National" (FN), um den dritten Platz im ersten Wahldurchgang. Laut Umfragen können beide Kandidaten mit elf bis 15 Prozent der Stimmen rechnen. Der ehemalige sozialistische Minister, der 2008 seine eigene Partei gründete, setzt sich für einen radikalen Antikapitalismus ein und verwendet Argumente, die man seit dem Fall der Berliner Mauer kaum noch in Frankreich zu hören bekam. Unter anderem fordert er die Verstaatlichung der Banken und die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 1.700 Euro.
Grüne abgeschlagen
Enttäuschung herrscht dagegen im Lager der französischen Umweltschützer, die sich in den letzten Jahren an zweistellige Wahlergebnisse gewöhnt hatten. Die französisch-norwegische Grünen-Kandidatin Eva Joly ("Europe Ecologie Les Verts") kann am 22. April laut Umfragen mit nicht mehr als zwei Prozent der Stimmen rechnen, während es die Grünen bei der Europawahl im Jahr 2009 noch auf 16 Prozent der Stimmen gebracht hatten. Für die schlechten Aussichten machen politische Beobachter vor allem den Umstand verantwortlich, dass die Wirtschaftskrise in den Sorgen der Franzosen weit vor dem Umweltschutz liegt.
Zünglein an der Waage
Der "dritte Mann" bei den Wahlen vom Mai 2007, der zentrumsbürgerliche Chef der "Mouvement Democrate" (MoDem), Francois Bayrou, bringt es diesmal laut Umfragen auf nicht mehr als zehn Prozent der Stimmen. Dennoch wird der ehemalige Erziehungsminister vom rechten wie vom linken politischen Lager umworben, zumal er die Rolle des Züngleins an der Waage übernehmen könnte. Bayrou, der sich selbst weder links noch rechts verankert wissen will, wurde von den Konservativen sogar als möglicher Premierminister ins Gespräch gebracht.
Frage der Mobilisierung
Für eine Überraschung am kommenden Sonntag könnten dennoch die Unentschlossenen sorgen, die von Meinungsforschern auf 13 bis 15 Millionen Bürger geschätzt werden. Sich dessen bewusst, hat Sarkozy Ende der Vorwoche die "stille Mehrheit" im Land dazu aufgerufen, für ihn mobil zu machen. Für die Linke ist dagegen Melenchon die größte Bedrohung. Je besser er abschneidet, umso mehr fördert er indirekt Sarkozy. Im Jahr 2002 hatte das gute Abschneiden des Linksrepublikaners Jean-Pierre Chevenement den damaligen Linkskandidaten und Premier Lionel Jospin (PS) den Zugang zur Stichwahl versperrt. Er war vom FN-Kandidaten Jean-Marie Le Pen aus dem Rennen geworfen worden, der dann bei der Stichwahl gegen den amtierenden Präsidenten Jacques Chirac (UMP) unterlag. (Text: APA, Red.)
Morgenjournal, 20.4.2012
Hans Woller in Paris analysiert im Gespräch mit Hubert Arnim-Ellissen die Ausgangslage vor der französischen Präsidentschaftswahl.