Chinas Wirtschaft wächst langsamer

Das Wirtschaftswachstum Chinas hat sich im zweiten Quartal auf 7,6 Prozent verlangsamt. Chinas Wirtschaft ist damit so langsam gewachsen wie seit drei Jahren nicht mehr. Die fallende Nachfrage in Europa und den USA, aber auch hausgemachte Probleme sind dafür verantwortlich. Von einer echten Krise will dennoch niemand sprechen.

Mittagsjournal, 13.7.2012

Schwache Nachfrage aus Europa

Chinas Premierminister hatte die Nation schon vor einigen Tagen auf die unerfreulichen Wirtschaftsdaten vorbereitet. Es gebe Risiken, dass sich das Wachstum weiter abschwächt, meinte Wen Jiabao bei einer seiner Inspektionsreisen aufs Land. Da hat er mit Sicherheit schon die Zahlen im Kopf gehabt, die man heute veröffentlich hat. Von April bis Juni ist Chinas Wirtschaft um 7,6 Prozent gewachsen, so langsam wie seit dem Höhepunkt der Finanzkrise vor drei Jahre nicht mehr. Betroffen sind vor allem die Exportzonen entlang der Ostküste Chinas. Weil die Nachfrage aus Europa schwächelt, klagen Firmen etwa in der Textil- oder Elektronikbranche über weniger Aufträge. Gleichzeitig legen die Importe nur mehr langsam zu, was europäische Firmen treffen wird, auch wenn der Autobauer VW gerade wieder Rekordabsatzzahlen in China veröffentlicht hat.

"Die Welt muss sich drauf einstellen"

China verliert jedenfalls an Zugkraft als weltweiter Konjunkturmotor,sagt Ren Xianfang im ORF-Interview. Sie ist Ökonomin im Pekinger Büro des globalen Wirtschaftsinformations-Dienstleisters Global Insight. "Der Westen, vor allem auch die Europäer, sollten sich Sorgen machen. China war die globale Wirtschaftslokomotive im vergangenen Jahrzehnt. Doch die Wirtschaftsstruktur ändert sich. Mit den zweistelligen Zuwachsraten ist es endgültig vorbei, China wird in den kommenden Jahren langsamer wachsen. Die ganze Welt wird sich darauf einstellen müssen."

Massive Staatsinvestitionen

7,6 Prozent Wachstum wären für die Volkswirtschaften des Westens Traumdaten, nicht für das erfolgsverwöhnte China, wo die Wirtschaft noch 2010 mit mehr als zehn Prozent gewachsen ist. Und so manche Analysten hegen auch Zweifel an den heute veröffentlichten Zahlen und meinen, dass Chinas Wachstum in Wahrheit niedriger ist, und nur durch massive staatliche Investitionen vor allem in Infrastrukturprojekte auf hohem Niveau gehalten werden kann. "Fällt das Wachstum in China unter acht Prozent, dann hat dies bereits negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt", erzählt die Ökonomin Ren Xianfang. Der Grund: Allein in diesem Jahr wird der Anteil der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter um mehr als fünf Millionen steigen.

Doch es gibt auch gute Nachrichten: Die Inflation ist niedrig wie seit langem nicht mehr, was China Spielraum für neue Konjunkturmaßnahmen gibt. Und das Volumen an neu vergebenen Krediten ist in den vergangenen Wochen stark angestiegen, was der Konjunktur laut Ansicht der Ökonomen wieder etwas Schwung geben könnte.

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Global Insight