Karas belastet Strasser
Im Prozess gegen Ernst Strasser hat am Vormittag der Delegationsleiter der ÖVP im EU-Parlament, Othmar Karas, als Zeuge ausgesagt. Karas sollte unter anderem über das Vorgehen Strassers rund um die Anleger-Entschädigungsrichtlinie berichten. Und seine Aussage ist alles andere als entlastend für Strasser.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 6.12.2012
Ungewöhnlich direkte Einflussnahme
Die Aussage von Karaas fällt nicht unbedingt zu Gunsten Strassers aus. Karas gab an, dass er noch nie einen derartigen Versuch der Einflussnahme eines Abgeordneten erlebt habe wie im Fall der Anlegerschutz-Richtlinie: "Ich habe noch nie von einem Abgeordneten eine solch direkte Einflussnahme und Kontaktaufnahme erlebt - acht Anrufe und vier Emails", berichtete Karas von den Kontakten zwischen seinem Büro und dem Büro Strassers. Inhaltlich sei Strassers Antrag für ihn aber nicht akzeptabel gewesen weil die vorgeschlagene Fristverlängerung und eine zweite Mahnstufe für betroffene Unternehmen in die falsche Richtung gegangen wären. "Genutzt hätte sie nur den Unternehmen, nicht den Anlegern", sagte Karas. Daher habe er den Antrag auch verworfen, zumal er ein "komisches Gefühl" gehabt habe, weil unklar gewesen sei, wer hinter dem Vorschlag Strassers stehe.
Grundsätzlich habe er mit Strasser ein professionelles Verhältnis gehabt, betonte Karas: "Wir sind ja nicht spinnefeind, wir haben immer korrekt auf den verschiedensten Ebenen zusammengearbeitet." Von Strassers Vermutung, von einem Geheimdienst überwacht zu werden, habe er aber erst aus den Medien erfahren.
Jahrelange Rivalität
Das Verhältnis zwischen Karas und Strasser gilt spätestens seit der Europawahl 2009 als angespannt. Damals setzte VP-Chef Josef Pröll Strasser gegen den in Brüssel bestens vernetzten Karas als Spitzenkandidaten durch. Dieser mobilisierte dagegen mit einer Vorzugsstimmenkampagne - mit Erfolg: bei der Wahl am 7. Juni schaffte er 112.954 Vorzugsstimmen und zog somit doch noch als listenerster ÖVP-Kandidat ins EU-Parlament ein. Dennoch wurde Strasser zum Delegationsleiter der ÖVP gewählt und behielt diese Funktion, bis er im Zuge der im März 2011 bekannt gewordenen Lobbyisten-Affäre zurücktreten musste.
Journalisten sagen später aus
Nicht wie geplant am 13. Dezember aussagen werden die beiden britischen Journalisten Calvert und Newell, die sich als Lobbyisten ausgegeben und Strassers Aussagen verdeckt mitgefilmt hatten. Deren britischer Anwalt hat laut Richter Georg Olschak mitgeteilt, dass sie zu diesem Termin keine Zeit hätten. Die wahrscheinlichste Variante ist laut Olschak nun eine Befragung mittels Videkonferenz am 11. Jänner.