Israel: Netanyahu braucht Koalitionspartner

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist von den Wählern abgestraft worden. Sein rechter Block Likud-Beitenu kam nur auf 31 der 120 Sitze in der Knesset, um elf weniger als bisher. Großer Gewinner ist der frühere TV-Journalist Yair Lapid, der auf 19 Mandate und damit auf Platz zwei kam. In der Knesset bedeutet das ein Patt zwischen Rechts- und Linksblock und eine schwierige Partnersuche für Netanjahu.

Mittagsjournal, 23.1.2013

Dennoch alles beim alten

Das beinahe sensationelle Ergebnis des liberalen Neo-Politikers Jair Lapid hat manche in der Wahlnacht dazu verleitet, von einer Art Umsturz und einer neuen Ära in der israelischen Politik zu sprechen – aber irgendwie ist doch wieder alles beim Alten geblieben. Letztlich ist wieder der jetzige Premier Benjamin Netanjahu der einzige, der eine Regierung bilden kann. Und wenn schon seit Jahrzehnten der Rechtsblock und der Linksblock einander ungefähr die Waage halten, dann ist es diesmal anscheinend sogar zu einer perfekten Pattstellung gekommen. Ein bis zwei Mandate haben sich bei der bisherigen Auszählung der Echt-Stimmen im Vergleich zu den Exit Polls noch verschoben – und es könnte genau 60 zu 60 ausgehen.

Ohrfeige vom Wähler

Netanjahu hat nach Mitternacht eine Siegesrede gehalten, aber der Jubel sollte da wohl über die schmerzliche Erkenntnis hinweghelfen, dass sein konservativer Likud vom Wähler eine Ohrfeige bekommen hat – nur 31 Mandate statt der mehr als 40, die man am Beginn des Wahlkampfs eingeplant hatte. Vor Allem scheint es jetzt beinahe unmöglich, eine Koalition zu bilden. Netanjahu sprach zwar kurz auch von den Themen, die potentielle Koalitionspartner gerne hören, etwa von einem Friedensprozess, von einem Wehrdienst für die Religiösen und von niedrigeren Wohnungspreisen.

Inkompatible Partner

Und er sagte, er sehe viele Partner für eine möglichst breite Regierung. Aber da ist sein Blick offenbar nicht sehr scharf. Es stimmt, der 49-jährige Lapid drängt sich als Partner auf – der frühere Journalist ist jetzt mit seiner neuen Partei "Es gibt eine Zukunft" plötzlich zweitstärkste Kraft im Parlament, und auch er spricht von Zusammenarbeit in einer möglichst breiten Koalition. "Wir brauchen nicht Rechts und Links, es gibt jetzt die Möglichkeit für ein echtes, faires Zentrum, das einen Dialog führen kann."

Aber wenn man ins Detail geht, wird es schwierig. Wie soll man etwa Lapid mit den Strengreligiösen zusammenspannen? Eines der Hauptanliegen Lapids, das ihm auch viele Stimmen eingebracht hat, ist, dass die Strengreligiösen auch bei der Armee dienen sollen, sie sollen auch mehr arbeiten und weniger Sozialleistungen konsumieren, sagt er. Da werden die strengreligiösen Parteien ziemlich störrisch werden. Netanjahu wird sicher auch bei der Ex-Außenministerin Zipi Livni anklopfen, die ebenfalls mit einer neuen Partei angetreten ist und 6 bis 7 Mandate bekommen dürfte. Aber Livni will vor Allem neue Verhandlungen mit den Palästinensern, und da werden die ganz Rechten ausbrechen.

Jedenfalls ohne Arbeiterpartei

Am ehesten könnte noch die Arbeiterpartei, die auf den für sie enttäuschenden dritten Platz gekommen ist, zu allen dazu passen. Aber deren Chefin Schelly Jachimowitsch hat schon vor den Wahlen eine Koalition unter Netanjahus Führung kategorisch ausgeschlossen. Und in der Wahlnacht hat Jachimowitsch Netanjahu dann beinahe verhöhnt: "Er kann gar keine Koalition zustande bringen", sagte sie, "ich werde alles tun, um einen Gegenblock zu bilden, und wenn überhaupt, dann wird es eine ganz instabile Regierung, die wir nach kurzer Zeit stürzen werden."

Rein rechnerisch hat Jachimowitsch wohl recht. Aber andrerseits: Sofortige Neuwahlen wären eine Farce, und besonders Lapid wird es nicht so weit kommen lassen, dass sein phantastisches Ergebnis wieder gefährdet wird. Also irgendwie muss und wird Netanjahu wohl doch eine Regierung zusammenbasteln.

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