Wieder Gasstreit Russland - Ukraine

Zwischen Russland und der Ukraine zeichnet sich ein neuer "Gaskrieg" ab. Hintergrund ist, dass die Ukraine fieberhaft versucht, von den russischen Gaslieferungen unabhängiger zu werden. Dem russischen Monopolisten Gasprom passt das aber offenbar nicht ins Konzept.

Mittagsjournal, 28.1.2012

"Eine großartige Gelegenheit"

Es war ein großer Tag für den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, als er vergangenen Freitag beim Weltwirtschaftsforum Davos einen milliardenschweren Vertrag mit dem britisch-niederländischen Energiekonzern Shell abschloss: Shell wird damit das Recht eingeräumt, in den nächsten 50 Jahren die Schiefergas-Vorräte der Ost-Ukraine zu erschließen - laut Schätzungen von Experten die drittgrößten Vorräte Europas. Zehn Milliarden Dollar sollen im Lauf der Jahre in der Ukraine investiert werden. Für die Wirtschaft des Landes, die bis jetzt fast ausschließlich von Energielieferungen aus Russland abhängig ist, wäre das ein großer Schritt, erklärte Janukowitsch: "Das ist eine großartige Gelegenheit. Es ist erst ein Beginn, und wir werden unsere Beziehungen weiter verbessern, um flexible Möglichkeiten zu finden, die Wirtschaft unserer Länder in Zeiten der Krise weiterzuentwickeln."

Satte Rechnung

Doch die kalte Dusche folgte auf den Fuß. Am Samstag wurde bekannt, dass der russische Gasmonopolist Gasprom der Ukraine eine Rechnung über sieben Milliarden Dollar geschickt hatte - für Erdgas, das laut einem umstrittenen Liefervertrag bezahlt werden muss, selbst wenn es nicht gebraucht wird. Offiziell gibt es von der ukrainischen Regierung dazu noch keine Stellungnahme, eine Quelle im ukrainischen Energieministerium sagte aber der Nachrichtenagentur Reuters, dass die Regierung einen klaren Zusammenhang zwischen der Forderung und dem Schiefergas-Deal mit Shell sieht.

Nein zu Zollunion

Laut dem Gasliefervertrag, der den letzten Gaskrieg im Jahr 2009 beendete, zahlt die Ukraine 430 Dollar pro 1.000 Kubikmeter Gas, deutlich mehr als der aktuelle Marktpreis. Außerdem verpflichtet sie sich, eine Mindestmenge Gas auf jeden Fall zu bezahlen, selbst wenn sie weniger bezieht - eine auch in Verträgen mit westeuropäischen Energieversorgern übliche sogenannte "take-or-pay" - Klausel. Diese Klausel sei der Grund für die Nachforderung der sieben Milliarden Dollar, heißt es. Russland hat schon mehrmals anklingen lassen, dass es bereit sei, den Vertrag neu zu verhandeln - zu günstigeren Bedingungen für Ukraine, allerdings nur, wenn die Ukraine dafür einer Zollunion mit Russland beitritt. Dazu ist die Regierung in Kiew aber nicht bereit. Sie verhandelt statt dessen über einen weiteren Vertrag zur Erschließung von Schiefergas mit dem US-Energiekonzern Chevron und über die Erschließung eines Ölfeldes im Schwarzen Meer mit Exxon-Mobile. Die Beziehungen zur russischen Gasprom werden sich dadurch kaum verbessern.