Offener Brief chinesischer Intellektueller

In der kommenden Woche wird in Peking die politische Wachablöse vollzogen. Die gesamte Regierung samt Premierminister und Präsidenten treten aus Altersgründen ab, die höchsten Ämter im Staat werden neu vergeben. Ausgerechnet zu diesem politisch heiklen Termin ist jetzt ein offener Brief bekannter Journalisten, Wissenschaftler und Aktivisten aufgetaucht. Sie fordern von der künftigen Führung tiefgreifende politische Reformen.

Mittagsjournal, 27.2.2013

Auf Websites und Blogs

Die Liste der Unterzeichner liest sich wie ein Who is Who der chinesischen Intellektuellenszene. Unter ihnen sind bekannte Journalisten ebenso wie Anwälte und Gelehrte. Insgesamt mehr als hundert Personen, die offen eines einfordern: politische Reformen. Der Brief wurde auf bekannten chinesischen Websites und Blogs veröffentlicht. Und er kommt nur wenige Tage vor dem alljährlichen Zusammentreffen des nationalen Parlaments, des Volkskongresses in Peking.

Soziale Konflikte lösen

Die Unterzeichner fordern das Parlament auf, den Pakt über bürgerliche und politische Rechte zu ratifizieren. China hat den UNO-Vertrag zwar unterzeichnet, aber nicht umgesetzt. Sollten politische Reformen nicht bald durchgeführt werden, dann drohe eine gesellschaftliche Krise, sagt einer der Unterzeichner, der Rechtsgelehrte He Weifang im ORF-Interview: "Eine Reform des politischen Systems soll eine rechtsstaatliche Gesellschaft bringen, die die Freiheit und Rechte der Bürger garantiert und die Macht der Regierung beschränkt. Die gesellschaftlichen und sozialen Konflikte bei uns sind schon heute gravierend und müssen gelöst werden."

Eher Wirtschaftsreformen

Chinas neuer starker Mann Xi Jinping, der im März nächster Präsident Chinas wird, hat Reformen angekündigt. Doch ist unklar, welche er damit genau meint. Seit Wochen rollt eine Anti-Korruptionskampagne, die bisher aber höchste Funktionäre in der Kommunistischen Partei ausspart. Ökonomen fordern eine Reform von Chinas Finanz- und Wirtschaftssystem, das große Staatsbetriebe fördert und private Unternehmen benachteiligt. Wirtschaftsreformen scheinen daher wahrscheinlich, tiefgreifende politische Reformen hingegen kaum. Die KP lässt an ihrem Machtmonopol weiterhin nicht rütteln.