Italien: Murren bei Sozialdemokraten
Bald sechs Wochen sind seit den Wahlen in Italien vergangen, aber noch immer ist weit und breit keine Regierung in Sicht. Jetzt wird innerhalb der Linken, die das stärkste Lager bildet, Kritik an der kompromisslosen Linie der Partei laut. Der Bürgermeister von Florenz, der als junge Zukunftshoffnung gilt, begehrt auf und drängt auf eine Öffnung zu Berlusconi - oder Neuwahlen.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 5.4.2013
Widerstand gegen Bersani
Je länger sich die drei Lager unversöhnlich gegenüber stehen, desto mehr bekommt ihr innerer Zusammenhalt Risse. Unbeirrt von seinen Misserfolgen hofft der linke Parteiführer Bersani noch immer, eine Minderheitsregierung bilden zu können, mit Unterstützung durch abtrünnige Abgeordnete der Protestbewegung Beppe Grillos. Eine Große Koalition mit dem Erzfeind Berlusconi will Bersani mit allen Mitteln vermeiden.
Doch jetzt kommt offener Widerstand gegen Bersanis Linie aus den eigenen Reihen. Der Bürgermeister von Florenz, Matteo Renzi, drängt auf eine rasche Entscheidung. Entweder ein Bündnis mit Berlusconis rechtem Lager oder aber rasche Neuwahlen, fordert er. Es sei schon zu viel Zeit vergeudet worden, während das Land dringend eine handlungsfähige Regierung brauche. "Italien ist blockiert, hunderte Betriebe müssen täglich zusperren", sagt Renzi polemisch. "Selbst der Vatikan hat früher verstanden, dass er neue Wege suchen muss. Und wir mit unserem politischen System haben noch nicht einmal verstanden, wer gewonnen hat. Ich sage, macht endlich vorwärts und hört auf, an das Los der Politiker zu denken, statt an das Land."
Vertreter einer neuen Linie
Der 38jährige Renzi hatte im Herbst bei den Vorwahlen für die linke Spitzenkandidatur gegen den 61jährigen Bersani verloren. Viele Wähler hatten darin einen Sieg des alten Parteiapparats gegen eine neue Generation gesehen und aus Protest gegen die immer gleiche Nomenklatura für Beppe Grillo gestimmt. Renzi hatte sich nach seiner Niederlage in die zweite Reihe zurückgezogen. In den Umfragen aber ist er der populärste italienische Politiker, der auch enttäuschte Berlusconi-Wähler anzieht. Berlusconi selbst hat mehrmals Renzis gemäßigte politische Linie gelobt. Gerade das macht ihn freilich bei der linken Stammwählerschaft verdächtig. Renzi vertritt ein Wirtschaftsprogramm, das mit der alten Bindung der Partei zu den Gewerkschaften bricht, zugunsten wirtschaftsliberaler Positionen. Fondsmanager und große Unternehmer haben seinen Wahlkampf finanziert, mit Schecks über hunderttausend Euro. In Abweichung von der Parteilinie will Renzi die staatliche Parteienfinanzierung streichen.
Sollte Bersani mit seinem Kurs scheitern, rechnet sich Renzi gute Chancen aus und macht deshalb Druck: Er könnte das Bündnis mit Berlusconi herbeiführen, das Bersani bisher kategorisch ablehnt - oder aber die Sozialdemokraten als Spitzenkandidat in Neuwahlen führen. Beides freilich würde die Partei einer gefährlichen Zerreißprobe aussetzen.