Größtes Stahlwerk unter Zwangsverwaltung

Die Italienische Regierung hat in der vergangenen Woche das größte Stahlwerk des Landes unter Zwangsverwaltung gestellt. Das Werk in der Hafenstadt Táranto in Apulien ist einer der wichtigsten Arbeitgeber in Süditalien, verseucht aber seit Jahrzehnten die Umwelt. Daran haben auch eine ganze Reihe von gerichtlichen Verfügungen seit vergangenem Sommer nichts geändert. Eine Richterin hat nun die Entscheidung getroffen, mit der die Verantwortlichen des Stahlwerks nicht gerechnet haben.

Morgenjournal, 8.6.2013

Aus Italien,

Italiens Regierungen und Behörden zählen nicht zu den strengsten, wenn es darum geht, Maßnahmen zum Schutz der Umwelt durchzusetzen. In Taranto hat die neue italienische Regierung jetzt aber ernst gemacht: Per Dekret hat sie den Eigentümern des Stahlriesen ILVA die Führung ihrer Fabrik aus der Hand genommen und den Sanierer Enrico Bondi als Zwangsverwalter eingesetzt. Jenen Bondi, der auch den maroden Parmalat-Konzern saniert hat.

Es ist keine Enteigung, betont der zuständige Minister: Es ist eine Zwangsverwaltung mit klaren Zielen. Das Werk bleibt im Besitz der Eigentümerfamilie. Es muss - in maximal drei Jahren - umwelttechnisch modernisiert und die Verseuchung der Umgebung saniert werden.

Rom vollzieht damit eine Kehrtwende im Umgang mit dem Skandal um die ILVA, der vor einem knappen Jahr aufgebrochen ist.

Eine Richterin hatte die Umweltschädlichkeit des Stahlriesen an der Küste Apuliens als kriminell eingestuft, den Besitzer verhaften und das Werk von heute auf morgen schließen lassen.
Die Stadt Taranto geriet in Aufruhr. Arbeiter marschierten gegen Umweltschützer.

Die Regierung Monti legte sich mit der Richterin an und verordnete die Fortsetzung der Produktion - nicht ohne den Eigentümern ein Sanierungsprogramm vorzuschreiben.

Monate später hatte sich offenbar nichts verändert. Die Richterin beschlagnahmte diesmal Konten und Güter der Eigentümerfamilie im Wert von 8 Milliarden Euro, den Wert, den diese in Umweltmaßnahmen hätte investieren müssen. In Mailand wird ebenfalls gegen die Besitzer ermittelt: wegen Steuerbetrugs und Geldwäsche in Steuerparadiesen.

Diese Fakten haben die Regierung zum Kurwechsel gezwungen - genauso wie die drohende soziale und wirtschaftliche Katastrophe, die die Schließung der Ilva bedeutet hätte.

Das Werk ist gigantisch und beschäftigt 12.000 Arbeiter, 8.000 arbeiten in Zulieferfirmen und Subunternehmen - in Italiens armem Süden, der ohnehin schwerst von der Krise betroffen ist.

Jetzt wird modernisiert während die Anlagen laufen. Gewerkschaften und Umweltschützer sind vorerst beruhigt. Besorgt sind dagegen die Unternehmer. Sie fürchten einen Präzedenzfall staatlicher Entmündigung und Abschreckung für Investoren.

Der Stahlriese Ilva steht für Italiens schwache Industriepolitik der vergangenen Jahrzehnte. Wie die Ilva wurden viele Betriebe in den 90iger Jahren privatisiert. Im unterentwickelten Süden scheffelten Unternehmer durch Niedriglöhne hohe Profite. Umweltschutz war kein Thema. Staatshilfen und Korruption blockierten die Modernisierung. Der Fall ILVA hat die Regierung jetzt zum Handeln gezwungen.

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