Privatisierungen aus Expertensicht

Die Regierung braucht Geld fürs Budget. Also wird wieder über den Verkauf von Staatseigentum diskutiert. Die Gewerkschaft läuft gegen das "Verschleudern von Familiensilber" Sturm. Aus Sicht eines WIFO-Experten wäre "Intelligentes Privatisieren" sinnvoll.

Mittagsjournal, 11.12.2013

Frage der Arbeitsteilung

Mehr Privat, weniger Staat - dieses Schlagwort hält Michael Böheim, Wettbewerbsexperte am Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), für nicht mehr zeitgemäß. Heute gehe es nicht darum, einmalig Geld in die Kasse zu spülen. Zu überlegen sei, wie eine intelligente Arbeitsteilung zwischen Staat und Privat aussehen könnte. Einen starken Staat brauche man etwa bei der Infrastruktur, während Dienstleistungen von Privaten übernommen werden könnten. Böheim nennt als Beispiel den Energiebereich - hier liegt seiner Ansicht nach das größte Potential für Privatisierungen.

Es geht um Macht

Der Verbund gehört zu 51 Prozent dem Staat, dazu kommen die Landesenergieversorger. Der Netz- und Infrastrukturbereich sollte in öffentlicher Hand bleiben. Der Vertrieb, also der Stromverkauf an den Kunden, könnte privatisiert werden. Passieren wird das aber nicht, meint der Wirtschaftsforscher, weil die Parteien nicht auf eine ihrer letzten Machtpositionen verzichten und unter die 51 Prozent gehen wollten. Politisch verständlich - ökonomisch nicht sinnvoll, sagt der Experte.

Versorgungsaufträge per Gesetz

Sinnvoll wäre aus seiner Sicht auch bei den drei großen Beteiligungen der ÖIAG über Änderungen nachzudenken. Besonders bei der Telekom, die derzeit zu 28 Prozent dem Staat gehört und die man zur Gänze privatisieren könnte, so Böheim. Denn Versorgungsaufträge könne man auch über entsprechende Gesetze und Verpflichtungen zu Investitionen sicherstellen könnte. Eine Sperrminorität von 25 Prozent wäre aus der Sicht des Wirtschaftsforschers bei der Telekom nicht notwendig. Politisch gilt jedoch das Festhalten an diesem Anteil, der Veto-Rechte garantiert, als Fixpunkt jeder Privatisierungsüberlegung bei Post, Telekom und OMV. Um welche Summen geht es unter diesen Voraussetzungen? Eine bis 1,5 Milliarden Euro könnte eine weitere Teilprivatisierung mittelfristig bringen, schätzt der WIFO-Experte.