NSA-Abhörungen: Länderweise, jahrzehntelang

In der schier endlosen Geschichte der Enthüllungen amerikanischer Spionagemethoden durch Edward Snowden wird heute wieder ein neues Kapitel aufgeschlagen: Diesmal geht es um Telefonüberwachung der Extraklasse - lückenlos, länderumfassend und jahrzehntelang.

Mittagsjournal, 19.3.2014

Länder komplett ausspioniert

Der amerikanische Geheimdienst NSA kann etwas, was schier unglaublich erscheint: nämlich alle - und zwar wirklich alle - Telefongespräche eines einzelnen Landes aufzeichnen. Nicht nur die Metadaten, also anrufende und angerufene Telefonnummer, Ort, Zeit und Länge des Gespräches, sondern tatsächlich das ganze Gespräch. All das wird 30 Tage lang gespeichert, das älteste Telefonat wird durch das jeweils jüngste ersetzt. Die NSA-Spione können so quasi in die Vergangenheit reisen und mithören, was jemand vor einem Monat am Telefon mit jemand anderem besprochen hat.

MYSTIC heißt das Programm, das zum ersten Mal 2011 eingesetzt wurde. Fünf oder sechs Länder sollen so bereits komplett ausspioniert worden sein, wie die renommierte US-Zeitung Washington Post heute schreibt - welche, das hält die Zeitung aber geheim, weil sie von Regierungsstellen "im Namen der nationalen Sicherheit" darum gebeten wurde.

Verdacht im Nachhinein

Jeden Monat werden in dem riesigen Speicher, den die NSA dafür benötigt, Millionen Audio-Files aufgehoben. Dass sich das Programm auf die gesprochene Sprache konzentriert, ist einmalig und ermöglicht es, Menschen auszuspionieren, die zum Zeitpunkt ihres Telefongesprächs noch gar nicht unter Verdacht standen, die Sicherheit der USA in irgendeiner Art zu gefährden.

Allerdings hat US-Präsident Barack Obama erst Mitte Jänner unter dem Druck immer neuer Enthüllungen des Ex-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden zum massenhaften Datensammeln des Geheimdienstes NSA gesagt: "Alle Menschen auf der Welt, egal, welcher Nationalität, sollen wissen, dass die USA normale Menschen, die keine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen, nicht ausspionieren." Das erscheint jetzt in ganz anderem Licht. Wenn von einem ganzen Land alle Telefongespräche samt Gesprächsinhalten von der NSA irgendwo gespeichert werden, dann werden die angesprochenen normalen Menschen das als Hinterherspionieren empfinden.

Spionage ist, wenn man es tut

Die amerikanische Regierung versteckt sich allerdings hinter einer Haarspalterei, wie der Co-Autor des Artikels in der Washington Post, Ashkan Soltani, erklärt: Als gesammelt gelten die Daten nämlich erst dann, wenn sich jemand damit beschäftigt. Spionage beginnt also nicht damit, Daten heimlich zusammenzutragen und in einen Computerspeicher zu verschieben, nein, Spionage ist es erst, wenn diese Daten ausgewertet werden, so die Argumentation. Dabei sollte die Datensammelwut der amerikanischen Geheimdienste eigentlich nach den vielen bisherigen Enthüllungen eingeschränkt werden, doch diesen Gedanken darf man jetzt getrost ins Reich der Fabeln verbannen.

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