
ORF/PAMMER FILM
Radiokolleg
70 Jahre Fernsehen und ORF-Archiv
Eine spannende Reise in die Vergangenheit des Fernsehens und zugleich in die Geschichte seines Archivs. Denn nicht nur das Medium Fernsehen ist über die Jahrzehnte gewachsen, auch seine Gedächtnisinfrastruktur hat sich gewandelt: von der improvisierten Ablage zum digitalen Erinnerungsraum mit öffentlichem Auftrag.
22. September 2025, 07:10
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Am 1. August 1955 um 17:00 Uhr wurde in Österreich ein neues Kapitel der Mediengeschichte aufgeschlagen. Die ersten Worte, die über den Bildschirm flimmerten, stammten von der Fernsehsprecherin Franziska Kalmar: „Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich begrüße Sie recht herzlich zu unserem Fernsehprogramm.“
Diese Eröffnung markierte den Beginn des Fernsehens in Österreich. Mit der darauffolgenden Ausstrahlung einer Live-Diskussion der Chefredakteure österreichischer Zeitungen, gefolgt von einer zwölfminutigen Konzertaufzeichnung der Wiener Philharmoniker, begann die Reise in die Wohnzimmer der Nation.
Interesse und Skepsis
Zunächst wurde das Versuchsprogramm dreimal wöchentlich für etwa 30 Minuten ausgestrahlt. Die Sendezeit am frühen Abend ermöglichte es Passant:innen, die Programme in den Schaufenstern von Radiogeschäften zu verfolgen, denn nur wenige Haushalte besaßen damals den Luxus eines Fernsehgeräts. Ein solches kostete rund 6.000 Schilling und war für viele unerschwinglich. Deshalb war die Zahl der Zusehenden zu Beginn niedrig.
Die Einführung des Fernsehens stieß auf geteilte Reaktionen: Während viele dem neuen Medium mit Interesse begegneten, herrschte auch Skepsis, etwa hinsichtlich der Inhalte oder der Konkurrenz zum Radio und zur Presse. Dennoch verbreitete sich das Fernsehen rasch, gewann an Bedeutung und wurde bald zum zentralen Medium für Information und Unterhaltung. Es brachte Nachrichten und Kulturereignisse direkt ins Wohnzimmer, veränderte die Mediennutzung nachhaltig und trug zur Bildung einer nationalen Identität bei.

Heinz Conrads in "Was sieht man Neues?", 1957
ORF
Archivierung stand zunächst nicht im Mittelpunkt
Das ORF-Archiv fungiert heute auch als Gedächtnis dieses Mediums. Ohne ein solches Archiv wären Rückblicke auf Fernsehereignisse kaum möglich. Es bewahrt Bilder, Stimmen, Sendungen und dokumentiert damit auch österreichische Zeitgeschichte.

Bekannte Gesichter
In den Anfangsjahren war Archivierung allerdings kaum ein Thema. Aufgrund begrenzter und teurer Speichermedien wurden viele Sendungen später einfach überspielt. Diese Praxis hatte zur Folge, dass viele der frühen Aufnahmen unwiederbringlich verloren gingen. Der Fokus lag auf der Produktion neuer Programme, während die Archivierung nicht im Mittelpunkt stand. Erst mit wachsendem Bewusstsein für den historischen Wert des Gesendeten und den Möglichkeiten der Wiederverwendung entwickelte sich das ORF-Archiv allmählich zu einer Institution mit klarer Aufgabe und Strukturen.
Das Archiv - ein digitales Gedächtnis
Heute umfasst es Millionen von Beiträgen aus Radio und Fernsehen: Nachrichtensendungen, Interviews, Dokumentationen, Magazine, Sport, Kulturübertragungen oder Unterhaltung. Was zunächst beiläufig abgelegt wurde, wird nun systematisch katalogisiert, gesichert und digitalisiert - für die Zukunft.
Der Stellenwert des Archivs wuchs mit dem Medium: Was einst improvisiert war, ist heute ein professionell organisiertes, digitales Gedächtnis. Die Arbeit darin erfordert eine hohe Expertise an synergetischer Dokumentation, einen ausgeprägten Servicegedanken und innovative Gestaltungsfähigkeit: Archivar:innen arbeiten gemeinsam daran, Inhalte auffindbar zu machen, sie verständlich aufzubereiten und dem Publikum zielgerichtet zu präsentieren.
Text: Martina Huber-Kendl, Kathrin Schedler, Jakob Steiner und Michael Liensberger