Ein stiller Unbeugsamer

Friedrich Cerha ist 85

85 - und kein bisschen müde: Auf Friedrich Cerha trifft diese schmeichelnde Floskel wirklich zu. Heute feiert der Komponist und Dirigent seinen 85. Geburtstag. Das Wiener Konzerthaus richtet ihm am Abend ein musikalisches Fest aus. Ö1 würdigt den Komponisten ebenfalls heute mit einer langen Cerha-Nacht.

Kultur aktuell, 17.02.2011

Erste Kompositionen mit acht Jahren

Cerha wurde 1926 in Wien geboren und begann im Alter von sechs Jahren, Geige zu spielen. Die ersten Kompositionen folgten nur zwei Jahre später. Auf eigene Initiative erhielt er Unterricht in Harmonielehre und Kontrapunkt. 1943 wurde Cerha zur Wehrmacht eingezogen, noch vor Abschluss des Gymnasiums. Der erklärte Gegner des NS-Regimes desertierte allerdings und flüchtete auf eine Tiroler Almhütte.

Nach dem Krieg studierte er an der Wiener Hochschule für Musik und darstellende Kunst Komposition bei Alfred Uhl sowie Violine bei Vasa Prihoda und Musikerziehung. Der promovierte Germanist pflegte auch Kontakte zu dem von avantgardistischen Malern und Literaten dominierten "Art-Club".

Mitbegründer der "reihe"

Das Ensemble "die reihe" entstand im Jahr 1958. Als Kammerensemble für Neue Musik brachte es mit exemplarischen Aufführungen einem großen Publikum zeitgenössische Kompositionen nahe. In einem APA-Interview sprach das Multitalent von einer damals in Wien vorherrschenden "Öde in Bezug auf die Musik des 20. Jahrhunderts". In dieser Hinsicht leistete "die reihe" Pionierarbeit.

Ab 1959 lehrte Cerha an der Wiener Musikhochschule, von 1976 bis 1988 auch als Professor für Komposition, Notation und Interpretation neuer Musik.

Internationaler Durchbruch mit "Baal"

Der Fertigstellung von Bergs Opernfragment "Lulu", von Cerha um den dritten Akt ergänzt und 1979 in Paris uraufgeführt, folgten sechs Jahre Arbeit an seiner ersten eigenen Oper "Baal". Das Werk nach einem Drama von Bertolt Brecht sollte endgültig den internationalen Durchbruch für Cerha bedeuten und wurde 1981 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt.

Daneben gehören vor allem die musikdramatischen Werke "Spiegel" und "Netzwerk" sowie die Literaturoper "Die Rattenfänger" nach Carl Zuckmayer zu seinen bekanntesten Kompositionen. Cerha hat mit Vorliebe Werke für große Orchesterbesetzung komponiert, die stilistisch auf dem Boden der zweiten Wiener Schule wurzeln.

Requiem als "Opus summum"

Seit einigen Jahren steht der Komponist nicht mehr am Pult in den Konzertsälen, von vereinzelten Auftritten wie 2007 im Rahmen der Wiener Festwochen mit dem Klangforum oder anlässlich des Festkonzertes zu 50 Jahre "die reihe" vor zwei Jahren abgesehen. Das Dirigieren hat er zugunsten seines kompositorischen Schaffens zurückgestellt. Und die Ergebnisse sind zahlreich: 2002 wurde die in Zusammenarbeit mit Peter Turrini entstandene Oper "Der Riese vom Steinfeld" an der Wiener Staatsoper uraufgeführt, 2004 folgte mit Cerhas Requiem sein "Opus summum".

Beim steirischen herbst gab es 2007 die Uraufführung des Konzerts für Bariton und Orchester, "Aderngeflecht", dessen Text auf Gedichten von Emil Breisach basieren. Im selben Jahr erklang "Les Adieux" erstmals bei der Biennale in Venedig. 2010 kam "Like a Tragicomedy" in Manchester zur Aufführung, im Wiener Musikverein erklang erstmals "Kammermusik für Orchester".

Zahlreiche Ehrungen

Beinahe so zahlreich wie seine Werke sind Cerhas Auszeichnungen: Für seine kompositorische Arbeit erhielt er unter anderem den Preis der Stadt Wien (1974) und den Großen Österreichischen Staatspreis (1986). 1998 wurde Cerha für seine Verdienste um die elektroakustische Musik geehrt.

Das Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst folgte 2005, im Jahr darauf wurde er bei der Musik-Biennale in Venedig mit dem erstmals vergebenen "Goldenen Löwen für ein Lebenswerk" geehrt. 2008 folgte das "Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien", im vergangenen Jahr das "Silberne Komturkreuz des Ehrenzeichens für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich".

Geburtstagsfest mit Konzert

Und auch 2011 wird Friedrich Cerha geehrt: Im Zuge der Salzburg Biennale erhält er den mit 60.000 Euro dotierten "Musikpreis Salzburg", eine Auszeichnung, die "eigentlich zu spät" kommt, wie der Komponist dazu vermerkte, allerdings sofort relativierte: "Aller Abbrüche des Alters zum Trotz ist mir eine Eitelkeit erhalten geblieben, die mir jetzt Genugtuung verschafft."

Sein Geburtstag wird im Wiener Konzerthaus mit einem Konzert gefeiert, als Gratulanten erwarten den Jubilar unter anderen der Arnold Schönberg Chor, das Ensemble "die reihe" sowie der Chansonnier HK Gruber. Am Pult steht Heinrich Schiff.

Text: APA, Red.

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