Friedrich Cerha ist 85

Mit stiller Unbeugsamkeit

Am 17. Februar 2011 feiert der Komponist und Dirigent seinen 85. Geburtstag. Das Wiener Konzerthaus richtet ihm am Abend ein musikalisches Fest aus. Da spielt unter anderem das Ensemble für Neue Musik "die reihe", das er selbst 1958 gegründet hat - was damals eine Pioniertat war.

Kultujournal, 17.02.2011

Dorothee Frank im Gespräch mit Friedrich Cerha

Mit stiller Unbeugsamkeit tun, was man für richtig hält, auch wenn man sich damit oft zum Außenseiter macht, ist Cerhas Lebensprinzip. "Ich fühle mich von Anfang an bis zum heutigen Tag in dieser Rolle, wo ich mich doch lange Zeit meines Lebens nicht als integriertes Mitglied der Gesellschaft gesehen habe, sondern eigentlich der Gesellschaft gegenüber".

Nonkonformist schon als Kind

Die männlichen Hauptfiguren in Cerhas Opern passen auf die eine oder andere Weise nicht in die Gesellschaft - wie der anarchische Künstler "Baal" in der Oper nach dem Drama von Brecht. Cerha selbst wurde schon als Kind zum Nonkonformisten erzogen.

"Mein Vater hat mich nach den Bürgerkriegskämpfen in Wien Februar '34 an den Ort der Auseinandersetzungen geführt, mir die zerschossenen Häuser gezeigt, die Blutlachen am Boden, und das hat mich als Kind - ich war damals acht - sehr beeindruckt, und mich hellsichtig gemacht für schiefe politische Haltungen".

1943 wurde der 17-jährige Nazi-Gegner Cerha zum Kriegsdienst eingezogen. Er desertierte zweimal. Das erste Mal mit falschen Papieren, ohne dass das aufkam. Das zweite Mal schaffte er es kurz vor Kriegsende, durch Fronten hindurch, in die Tiroler Berge.

Cerhas berühmtestes Werk, der Orchesterzyklus "Spiegel", heißt auch deshalb so, weil sich darin seine lebensprägenden Erfahrungen im Krieg spiegeln.

Spiegel von Kriegserfahrungen

"Die ersten Aufführungen meiner 'Spiegel' - da wurde das Werk als intellektuelles Experiment gesehen, was es für mich überhaupt nicht war, weil es aus einem spontanen Ausdruckswollen herausgekommen ist. Und diese Rezeption hat sich heute völlig gewandelt, heute habe ich den Eindruck, der Ausdruckscharakter der 'Spiegel' wird als solcher viel mehr wahrgenommen, und das Experimentelle dieses Werkes überhaupt nicht gesehen".

Damals, Anfang der 1960er Jahre, war die sogenannte punktuelle Musik mit ihren separierten Einzelklängen state of the art. Cerha traute sich das genaue Gegenteil: In den "Spiegeln" entwickelte er ein Komponieren in Klangflächen - parallel zu seinem Freund György Ligeti, aber unabhängig von ihm.

Außerhalb Österreichs und Deutschlands war der Name Cerha die längste Zeit nur in Verbindung mit Alban Bergs Oper "Lulu" ein Begriff: Cerha hat den dritten Akt fertig gestellt und damit die Oper komplett aufführbar gemacht. Erst in den letzten Jahren kommt er mit seinen eigenen Kompositionen in ganz Europa und den USA zu größerem, späten und verdienten Ruhm.

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