Red Retro in Peking

Chinas Kommunistische Partei ist 90

Chinas Kommunistische Partei feiert heute den 90. Geburtstag ihrer Gründung. Anders als viele ihrer Schwesterparteien weltweit hat Chinas KP weiterhin die politischen Zügel fest in der Hand.

Von der Partei aus Klassenkämpfern ist zwar längst eine Partei der Kapitalisten geworden, die kommunistisches Gedankengut größtenteils über Bord geworfen hat. Doch gerade jetzt zum Jubiläum lässt man die rote Kultur, die roten Symbole in Massenveranstaltungen hochleben.

Mittagsjournal, 01.07.2011

An allen Orten Massenveranstaltungen

Ohne die Partei gebe es kein neues China, lautet der Text dieses Liedes. Und es nur eines von Dutzenden revolutionären Liedern, die derzeit überall im Land gesungen werden. Bei Massenveranstaltungen in Parks, Stadien oder Universitäten. In kleinen Gruppen selbst in Ämtern und Büros während der Mittagspause: „Wir sind hier um das 90jährige Jubiläum der Partei zu feiern. Ich bin stolz, dass ich bei dieser Veranstaltung teilnehmen kann“ erzählt dieser Student.

Rote Filme statt Liebesfilme

Schon vor Wochen hatte das staatliche Amt für Radio, Film und Fernsehen landesweit verfügt, dass etwa Spionage- oder Liebesfilme roten Filmen Platz machen sollen. Filmen über die Tradition und Errungenschaften der KP. Die Partei feiert sich selbst, mit ihrem Geburtstag sollen aber auch patriotische Gefühle gefördert werden. Los getreten hatte die rote Retrowelle Bo Xilai, der prominente Parteichef von Chongqing, einer Megastadt im Landesinneren. Bo lässt Textnachrichten mit Mao-Sprüchen an Millionen Handybenutzer verschicken, Funktionäre werden zur Lektüre marxistischer Bücher angehalten. Studenten fordert er auf, für eine Zeit lang aufs Land zu gehen, um von den Bauern zu lernen. Das erinnert an düstere, vergangene Zeiten.

Retro für die Verlierer

Doch dürfte der persönliche Ehrgeiz des Parteichefs der Grund für dessen Umtriebe sein. Bo Xilai wolle auf der roten Welle reitend ein höchstes Parteiamt in Peking ergattern, meinen seine Kritiker. Wie auch immer: die etwas merkwürdige landesweite Retro-Kampagne zum 90. Parteigeburtstag sei kein Zufall, sagt der Politologe Yu Cheng von der Honger Konger City Universität: „Die Kampagne ist ein Zugeständnis an konservative, ältere Pareimitglieder. Und sie soll die Unterstützung jener in der Bevölkerung sichern, die zu den Verlieren der rasanten Wirtschaftsentwicklung gehören.“

Heute ist Partei pragmatisch

Auch in Chinas offizieller Geschichtsschreibung werden die Dutzenden Millionen Opfer von Maos utopischen Kampagnen und persönlicher Machtgier nachwievor lediglich als kleinere Fehler des großen Vorsitzenden erklärt. Doch Chinas KP legitimiert sich längst nicht mehr über maoistisches Gedankengut, sondern über eindrucksvolle, wirtschaftliche Erfolge. Die Partei ist nicht mehr revolutionär, sondern höchst pragmatisch. Unternehmer, spricht Kapitalisten, haben längst in den Reihen der KP Platz genommen. Die zählt mittlerweile bereits 80 Millionen Mitglieder. Und dient vielen als Beziehungsnetzwerk und gigantische Karrieremaschine. Dass dafür politische Freiheiten auf der Strecke bleiben scheinen viele im heutigen China in Kauf zu nehmen.