Empörung an vielen Orten
Regierung Orban greift durch
In Ungarn hat das Parlament nicht nur mit einem umstrittenen Gesetz für Aufsehen gesorgt, das einen teilweisen Schuldenerlass für Fremdwährungskreditnehmer vorsieht, sondern auch mit dem Beschluss, die parlamentarische Immunität des früheren sozialistischen Premiers Gyurcsány aufzuheben. Er steht im Verdacht des Amtsmissbrauchs.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 13.09.2011
Orbans "Schauprozess"
Der ehemalige Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány spricht von einem politischen Schauprozess, den der amtierende Ministerpräsident Viktor Orban initiieren wolle und er spricht von politischer Abrechnung gegen ihn. Daher hat Gyurcsány selbst für die Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität gestimmt, weil er vor Gericht seine Unschuld beweisen will, wie er sagt.
Vorwürfe rund um gescheitertes Kasino-Projekt
Es geht um ein Kasinoprojekt, das im Jahr 2008 von einer amerikanisch-deutsch-israelischen Investorengruppe rund um den israelisch-ungarischen Geschäftsmann Joav Blum geplant war. Die Investorengruppe wollte im Ort Sukoro beim Velence-See nahe Budapest ein ungarisches Las Vergas errichten. Man sprach damals von einer Investition in der Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro. Teil des Geschäfts war ein Grundstückstausch zwischen dem Geschäftsmann Blum und der Republik Ungarn. Dieser Tausch –so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft- sei nachteilig für Ungarn gewesen, weil die Grundstücke falsch bewertet worden seien. Der Schaden soll rund 5 Millionen Euro betragen, behauptet die Staatsanwaltschaft.
Gyurcsány wird in diesem Zusammenhang vorgeworfen, im Parlament massiv für das Kasino-Projekt eingetreten zu sein und so die Behörden quasi zur Einwilligung des Grundstückstausches gedrängt zu haben. Gyurcsány reagierte emotionell auf diesen Vorwurf. Er bezeichnet Generalstaatsanwalt Peter Polt als treuen Diener Orbans, der ihn lieber tot als verletzt sehen wolle. Und er, Gyurcsány stehe nach wie vor zu dem Projekt, weil es viele Arbeitsplätze geschaffen hätte. Aus den Arbeitsplätzen ist nichts geworden, das Kasino-Projekt ist letztlich im Sande verlaufen.
Orban will alle drei Vorgänger vor Gericht
Die Aufhebung der parlamentarischen Immunität eines ehemaligen Ministerpräsidenten lässt ahnen, was in Ungarn noch so kommen könnte. Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán hat ja Anfang August angekündigt, seine drei sozialistischen Vorgänger Peter Megyessy, Ferenz Gyurcsány und Gordon Bajnai vor Gericht zu stellen, weil sie die Krise Ungarns mit ihrer Schuldenpolitik verursacht hätten. Derzeit prüft ein parlamentarischer Ausschuss, wie welche Gesetze geändert beziehungsweise neu verabschiedet werden müssen, um die rechtliche Grundlage zu schaffen, die ehemaligen sozialistischen Ministerpräsidenten, die zwischen 2002 und 2010 im Amt waren, vor Gericht zu bringen. Mit der komfortablen Zwei-Drittel-Mehrheit der Regierung Orban ist in Ungarn alles möglich.