Bevölkerung ist wütend

Italien in der Krise

Ein weiteres Sorgenkind der Euro-Zone ist Italien mit einem Regierungschef, der den EU-Gipfel in Brüssel als steinerner Gast beschwert hat. In einem langen Brief kündigt Berlusconi jetzt allerdings Reformmaßnahmen an. In vielen Punkten noch undeutlich und dort, wo er konkret wird, muss er mit dem Widerstand der Bevölkerung rechnen: der Unmut wächst.

Morgenjournal, 28.10.2011

Börse im Plus, Stimmung im Minus

Unterschiedlich hat Italien auf die Ergebnisse des Euro-Gipfels reagiert. Unumstritten positiv war das Echo der Börse. So konnte die Börse in Mailand gestern Abend ein Plus von 5,5 Prozent verzeichnen. Gar nicht positiv sind hingegen die Reaktionen der Gewerkschaften auf den in Briefform verfassten Maßnahmenkatalog der Regierung.

Selten vereint zeigen sich die Arbeitnehmerverbände. Und sprechen von einem Alptraum und einem Frontalangriff auf die Rechte der Arbeitnehmer: Sollte die Regierung die derzeit gültigen Regeln zum Kündigungsschutz verändern. Dann rufen wir zum Streik auf. Wir laden die Regierung daher ein, sich endlich für den sozialen Zusammenhalt einzusetzen, warnt Generalsekretär Raffele Bonanni und Susanne Camusso von der linken CGIL meint: Ich habe noch nie gehört, dass man mittels Entlassungen, die Arbeitslosigkeit bekämpft. Es ist offensichtlich: man will nur die Rechte der Arbeitnehmer auszuhöhlen. Anstatt konkrete Dinge anzugehen.

Aufregung um Kündigungsschutz und Pensionen

Eine Lockerung des Kündigungsschutzes, - das ist jener Passus, der auch die Menschen auf der Straße besonders aufregt: Das ist einfach nicht gerecht. Und ich glaube nicht, dass wir damit die Wirtschaft beleben können, sagt dieser 50jährige Arbeiter und ein knapp 60jähriger meint, die Tatsache, ein Firmenchef brauche jetzt nur nachzuweisen, er sei in Schwierigkeiten, um Menschen auf die Straße setzen zu können, versetzte ihn ordentlich in Wut: Wir haben es mit einer instabilen Regierung zu tun. Und für sie ist das eine Art Spiel. Sie machen einfach alles, bloß um nur die eigenen Privilegien und Posten behalten zu können. Das sei fast ein Aufruf zur Revolte meint der Mann.

Seinen jüngeren Kollegen irritiert hingegen vor allem die Anhebung des Pensionsalters: Mit 67 Jahren in Pension ist nicht richtig. Ich arbeite seit meiner frühen Jugend hart. Ich werde nie die Chance haben, das Geld, das ich einzahle, jemals wieder zu bekommen. Mir passt das nicht.

Ansturm auf Dumping-Angebote

Ganz anders die Situation in einem anderen römischen Stadtteil. Hier wurde gestern ein großer Medien-Supermarkt eröffnet. Mit beinahe gratis-Angeboten für diejenigen, die zuerst kommen. Und gekommen sind viele Tausende. Vom Gipfel in Brüssel haben sie wenig mitbekommen. Die meisten sind jung und ihre Arbeitsverhältnisse prekär: Ich bin seit 4 Uhr morgens hier. Endlich ist es mir gelungen, etwas zu kaufen, meint diese 25jährige ohne festen Arbeitsplatz. Und dieser junge Kellner freut sich: Ich bin schon um 2 Uhr morgens gekommen. Jetzt konnte ich mir endlich eine Play-Station kaufen.

Die Folge des Ansturms waren Schlägereien, zerbrochene Auslagen, Polizeieinsätze und ein völliges Verkehrschaos. Ein junger Mann - eingekeilt in der Menge - bringt es jedoch auf den Punkt: Das hat schon auch mit der Krise zu tun. Wir sind aus ein und demselben Grund hier. Denn hier kann man um den halben Preis einkaufen. Denn sonst kann er sich keine neue Waschmaschine leisten - meint er lakonisch.