Unterschiedliche Politik nach innen und außen
Briten: Mitreden aber nicht mitzahlen
In Großbritannien hat man die Versuche der EU, Griechenland vor der Pleite zu bewahren und den Euro zu retten stets besonders kritisch beobachtet. Über die jetzige Gipfeleinigung ist man nicht besonders "amused", denn die Briten wollen sich am liebsten gar nichts von Brüssel vorschreiben lassen und vor allem nicht mitzahlen. Wichtig ist ihnen die Rettung der Eurozone dennoch.
8. April 2017, 21:58
Briten wirtschaftlich eng mit EU verflochten
Die Euro-Griechenland-Schuldenkrise bringt die britische Regierung in eine verzwickte Lage. Einerseits wissen die Politiker, wie vernetzt die britische Wirtschaft mit der EU ist. Die Hälfte des britischen Handelsvolumens geht in die EU, mehr als dreieinhalb Millionen Jobs hängen davon ab. Daher hat Großbritannien ein vitales Interesse an der Euro-Rettung, denn ein Auseinanderbrechen der gemeinsamen Währung würde die Briten wirtschaftlich mit in den Abgrund reißen.
Mittagsjournal, 28.10.2011
"Von Briten entscheidender Druck"
Andererseits muss die Regierung für das heimische Publikum aber die Anti-EU-Reflexe bedienen, will sie in der Wählergunst nicht absacken. Also zeigt man den Briten, dass man die Euro-Rettung fast im Alleingang erzwungen hat, aber natürlich ohne ein einziges britisches Pfund an Steuergeld dafür ausgegeben zu haben. Schatzkanzler George Osborne formulierte es nach dem EU-Gipfel so: "Der Deal ist viel besser, als wir es erwartet haben, aber die Details stehen noch aus. Deshalb müssen wir den großen Druck, den wir als Briten gemacht haben, aufrechterhalten. Der Anfang ist gemacht, jetzt müssen sie die Aufgabe noch zu Ende führen."
Britische Banken: Kein Verzicht auf Forderungen
Premierminister David Cameron, der nach dem EU-Gipfel zu einem Commonwealth-Treffen nach Australien reiste, ließ zwischendurch ausrichten, dass die Londoner City, also das Finanzzentrum Europas, unter dauernder Attacke durch EU-Direktiven sei. Und er sagte, dass sich die britische Regierung dagegen verteidigen werde, weil diese Schlüsselindustrie im nationalen Interesse sei. Das ist wohl als Schuss vor den Bug zu verstehen, immerhin verlangt die EU nicht nur die Aufstockung des Kernkapitals der Banken, sondern auch den freiwilligen Verzicht auf die Hälfte der Forderungen gegenüber Griechenland. Da will Großbritannien keinesfalls mitmachen.
Briten zahlen höchstens an IWF
Aus dem europäischen Rettungsfonds hat sich Großbritannien ja unter dem Motto "Kein einziges Pfund für Griechenland" herausgehalten. Bei der Rettung von Irland vor einem Jahr hat man das noch ganz anders gesehen. Der einzige Weg für britisches Geld für die Griechenland-Rettung führt über den Internationalen Währungsfonds, Zahlungen in einen Sonderfonds lehnt die britische Regierung aber ebenfalls ab. Schatzkanzler Osborne zur Beruhigung der eigenen Wähler: "Zahlungen an den IWF erhöhen weder unsere Schulden, noch unser Defizit – und niemand hat je mit dem IWF Geld verloren."
Anti-Euro-Zone innerhalb der EU?
Es ist das alte Dilemma britischer Regierungen: sie wollen in der EU ein gewichtiges Wort mitreden, um den Kurs mitbestimmen zu können. Aber wirklich dabei sein wollen die Briten nicht. Deshalb hat die britische Regierung in der Flüsterpropaganda der letzten Tage auch immer wieder darauf hingewiesen, dass es in der EU eine Anti-Euro-Zone geben könnte. Sich also jene Staaten zusammenschließen könnten, die den Euro nicht eingeführt haben, um ihre Interessen besser zu vertreten.
Entscheidendes politisches Handeln würde dann in der EU noch schwieriger, künftige Krisen noch schlechter zu bewältigen. Doch das scheint man in Großbritannien für den eigenen Einfluss gerne in Kauf zu nehmen.