Regierung Rajoy in Nöten
Generalstreik in Spanien
Die Gerüchte, dass Spanien Finanzhilfe der EU benötigen könnte, wollen trotz energischer Dementis nicht verstummen. Mit Sparpaketen und Reformen versucht die Regierung Rajoy der Schuldenfalle zu entkommen. Die großen Gewerkschaften haben jetzt zum Generalstreik aufgerufen. Sie protestieren gegen die Reform des Arbeitsmarktes und die Beseitigung erworbener Rechte.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 29.3.2012
Aus Madrid,
Keine Schonfrist für neue Regierung
Der Lautstärkepegel, mit dem die Streikposten am Verkehrsknoten der Puerta del Sol für den heutigen Ausstand werben, stimmt die Fahrgäste der Madrider U-Bahn auf einen bewegten Streiktag ein. Die Standpunkte sind verfahren, Meinungen prallen aufeinander. Für eine 55-Jährige Frau, die den Streik unterstützt, gibt es keine Zweifel: „Gekürzt muss werden“, sagt sie, „aber nicht bei den Pensionisten, den Beamten und den sozial Schwachen.“
Für die linken Gewerkschaften ist eine von der Regierung beschlossene Reform des Arbeitsmarktes der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Sie riefen zum Generalstreik auf, ohne das Ende der „Schonfrist“ von hundert Tagen abzuwarten. Wozu auch? fragt Javier Cubillo von der sozialistischen Gewerkschaft UGT. Er sieht auf Seiten der neuen, konservativen Regierung keinerlei Bereitschaft, das Arbeitsgesetz zu entschärfen: „Es ist das erste Mal in 35 Jahren Demokratie in Spanien, dass Arbeiter nicht zum Streik gehen werden, weil sie Angst haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren.“
Rekord an Arbeitslosen
Die Gewerkschaften machen Stimmung gegen das neue Gesetz, das den Arbeitgebern Erleichterungen bei der Aufnahme und Entlassung von Beschäftigten bringt.
Die Angst um den Arbeitsplatz steht im Mittelpunkt des Konflikts: Spanien hält mit fast 23 Prozent den Rekord bei den Arbeitslosen in Europa. Auch bei der Jugendarbeitslosigkeit, die fast die Hälfte der unter 25-Jährigen betrifft, schneidet das Land schlechter ab, als Griechenland und Portugal.
Nur der „reformierte“ Arbeitsmarkt würde die Bedingungen für einen Aufschwung bieten, meint die Regierung. Der Chef der Gewerkschaft UGT Candido Mendez sieht das ganz anders, er spricht von einer brutalen Kürzungspolitik:
„Wir alle wissen, dass es hier nicht um eine Reform geht, sondern um die Zerschlagung der Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern.“
Regierung in Bedrängnis
Die Zukunft des Landes steht auf dem Spiel, erwidert Finanzminister Montoro beschwörend. Er unterstreicht die Dringlichkeit der Reformen mit dem Shakespeare-Zitat: „Sein oder Nichtsein – es geht um Spaniens Zukunft und deshalb bitte ich die politischen Parteien um Zusammenarbeit.“ Der patriotische Ruf zur Zusammenarbeit ist verhallt.
Mit Mindestdiensten will die Regierung den öffentlichen Verkehr aufrechterhalten. Ein Drittel der U-Bahnen soll unterwegs sein, bei den städtischen Autobussen wird zur Stoßzeit ein Viertel der Busse im Einsatz stehen. Am stärksten könnte der Streik im Flugverkehr zu spüren sein – nur ein Fünftel der geplanten Flüge zwischen Europa und Spanien soll heute starten.
Mittagsjournal, 29.3.2012
Ein Bericht direkt aus Madrid, Josef Manola im Gespräch mit