Polen: Heiße Debatte um Homosexualität

Im Rest Europas sind eingetragene Partnerschaften von gleichgeschlechtlichen Paaren mittlerweile kein Thema mehr, und wie in Österreich, das Recht auf Adoption auch gerichtlich entschieden. Polen ist von Partnerschaft, Ehe oder gar Adoption weit entfernt. Erst im Jänner ist der Versuch der Regierung gescheitert, eingetragene Partnerschaften auch in Polen einzuführen. Und aktuell gibt es eine Plakatserie, die das Thema aktuell gemacht hat und die niemanden kalt zu lassen scheint. Auch Ex-Politiker nicht.

Mittagsjournal, 6.3.2013

Aus Warschau,

Plakate sorgen für Streit

Möglicherweise liegt es an der Tatsache, dass ein berühmter Schauspieler mitmacht, vielleicht liegt es auch daran, dass an den Familienwert appelliert wird, jedenfalls scheinen die Plakate, die eigentlich schlichter nicht sein könnten, die Polen nicht kaltzulassen. Auf diesen Plakaten sind Eltern mit ihren schwulen und lesbischen Kindern zu sehen, Eltern, die dazu wissen lassen, sie hätten durch die Homosexualität ihrer Kinder etwas gelernt: sie selbst zu sein, offen zu reden oder Mut zu haben. Nein, Schwule und Lesben tauchen nicht plötzlich von irgendwoher auf und machen nur Party, sie haben auch Familien, sagt die Macherin der Kampagne, Katarzyna Remin.

Konservativ geschätzt sind 5 Prozent der Polen homosexuell, es könnten aber auch, wie anderswo 10 oder 13 Prozent sein, sagt die Verantwortliche der Kampagne gegen Homophobie. All diese Homosexuellen hätten Mütter und Väter und andere Verwandte, was bedeute, dass Homosexualität für Millionen Polen ein Thema sei. Jedenfalls auch für die, die nicht schwul sind, wie ein Ex-Präsident und Friedensnobelpreisträger beweist. Lech Walesa geht angesichts der Kampagne in die Luft. Homosexualität ist nicht normal. Gott hat Mann und Frau geschaffen. Wer bitte zahlt unsere Renten, wenn das alle so machen?

Was dazu führt, dass aus einer Familienplakatkampagne ein veritabler Familienstreit wird. Sohn Jaroslaw, ein EU-Parlamentarier kontert seinem Vater: Ich habe mir an den Kopf gegriffen. So etwas kann man doch nicht sagen. Natürlich haben Schwule und Lesben das Recht darauf, vertreten zu sein. Er wolle jedenfalls dringend mit seinem Vater darüber reden, meint Sohn Walesa.

Macht der Katholischen Kirche

Warum regt Homosexualität immer noch so auf? Und warum ist es der liberalkonservativen Regierung nicht gelungen, im Jänner das Gesetz über die eingetragenen Partnerschaften durchzubringen? Darüber gibt es mehrere Lesarten. Eine weit verbreitete ist, dass die katholische Kirche in Polen mehr Macht habe als anderswo. Und der Katholizismus ein besonderer sei. Das meint zumindest Anna Grodzka, die erste Transsexuelle, die irgendwo in Europa in ein Parlament gewählt worden ist, ausgerechnet in Polen: Polen hat einen ganz spezifischen Katholizismus, einen, der, ja, besonders oppressiv ist.

Dennoch schreckt die Frau, die vor 3 Jahren noch ein Mann war, davor zurück, zu verallgemeinern. Schließlich wurde sie hier gewählt: Ich glaube das Stereotyp, dass Polen besonders intolerant ist, nicht. Polen ist vielfältig, es gibt tolerante und weniger tolerante Menschen.
Grodzka bleibt jedenfalls zweckoptimistisch. Das Gesetz über die eingetragenen Partnerschaften werde noch in dieser Legislaturperiode durchgehen, meint sie.

Aber was Polen zum Beispiel von Tschechien, das in der Frage viel weiter ist, unterscheidet, ist nicht nur die Stellung der Kirche. Andere Beobachter meinen, dass die alten Strukturen hier einfach nicht so radikal geändert worden seien wie im Nachbarland. Was eine Schwerfälligkeit hinterlassen habe, die man eben auch beim Thema Homosexualität spüre.

Übersicht

  • Polen