Syrien: Eine Million Kinder auf der Flucht

Während die USA und ihre Verbündeten einen Militärschlag gegen das Regime Assasd diskutieren, flüchtet die Zivilbevölkerung, unter ihnen eine Million Kinder. Sie sitzen mit ihren Eltern und Geschwistern in Baracken und notdürftigen Verschlägen in den vollkommen überforderten Nachbarländern. Besonders übel ist die Situation gleich hinter der syrischen Grenze im Libanon.

Mittagsjournal, 27.8.2013

Reportage aus dem Libanon von

Hundert neue Familien pro Tag

Auch wenn sie derzeit nur in Zelten wohnen - die Kriegsflüchtlinge aus Syrien stellen sich auf einen langen Aufenthalt ein. Denn die Männer beginnen die Unterkünfte Winterfest zu machen. Eine etwa 50 Zentimeter hohe Mauer wird gebaut, erst darauf kommt das Zelt. Denn in ein paar Monaten wird es hier in der Bekaa-Ebene nicht nur Dauerregen geben – auch die Temperaturen sind dann so richtig winterlich. Dieser Mann ist vor vier Monaten mit seiner Familie hier her gekommen. Jetzt baut er, gemeinsam mit seinen Nachbarn, eines dieser halbwegs winterfesten Zelte: "Ich hoffe natürlich dass ich bald nach Syrien zurückkehren kann – wir sind schon lange genug hier. Aber ich glaube es nicht – auch wenn ich sehr glücklich wäre zurückkehren zu können."

Doch von Rückkehr kann keine Rede sein. Mittlerweile sind ganze Stadtteile von Damaskus, Homs oder Aleppo geflüchtet. Jeden Tag kommen tausende hinzu. In diesem Zentrum der Caritas sind es im Moment rund hundert Familien pro Tag, die neu registriert werden. Man hört es schon weitem, wenn man in eines der Lager kommt - hier gibt es viele Kinder. Familien mit fünf oder acht Kindern sind keine Seltenheit.

Verletzte und getötete Geschwister

Erst vor wenigen Tagen hat die UNO das einmillionste Kind auf Flucht vor dem Syrien Konflikt registriert. 740.000 sind jünger als elf Jahre. Manche sind nur knapp dem Tod entkommen. Zum Beispiel Mahmmud. Er ist 10 Jahre alt. Sein Vater zieht das Hemd von Mahmoud hoch - an der Hüfte ein großer roter Fleck: eine nicht ordentlich verheilte Schusswunde. "Die Regierung hat dort, wo wir gewohnt haben, die Kontrolle verloren. Da haben bewaffnete Gruppen aufeinander zu schießen begonnen. An einem Abend ist dann mein Sohn von einem Querschläger getroffen worden. Da habe ich beschlossen – wir müssen gehen und unsere Heimat verlassen."

Viele der Kinder haben schreckliche Dinge mitansehen müssen. Fast allen haben miterlebt, dass Familienmitglieder getötet worden sind – so wie dieser Bub erzählt: "Mein Bruder wurde getötet und meine Schwester schwer verletzt. Sie ist am Kopf getroffen worden. Zuerst dachten wir, wir könne sie nicht mitnehmen: Doch dann haben wir sie und meinen toten Bruder in einem Rettungswagen hergebracht. Meinen Bruder haben wir hier begraben. Meine Schwester muss jetzt wieder lernen zu gehen. Sie kann ihren Fuß nicht mehr bewegen. Ach – ich wünschte, wir könnten eines Tages wieder zurück nach Hause." Doch dieser Wunsch wird wohl noch lange nicht in Erfüllung gehen.

Schulen überlastet

Umso wichtiger wäre es, dass die Kinder zumindest in die Schule gehen könnten. Doch auch das ist nicht möglich – denn der Libanon ist mit den rund 1,5 Millionen Flüchtlingen im Land vollkommen überfordert, sagt Stefan Maier von der Caritas: "Wo viele Flüchtlinge sind, ist meistens auch kein Platz mehr in den Schulen. Es ist die große Gefahr, dass hier eine Generation von Kindern heranwächst, die um ihre Zukunft betrogen werden."

Doch so wichtig der Schulbesuch auch wäre – das Geld und die Logistik der Hilfsorganisationen reicht jetzt gerade einmal dafür, die Millionen Flüchtlinge, die hier sind, halbwegs satt zu bekommen.

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