Letta: Reformprogramm zu Weihnachten
Schon seit Monaten drängen die Euro-Partner die italienische Regierung zu Reformen. Jetzt scheinen die Voraussetzungen gegeben zu sein: Berlusconi hat an politischem Einfluss verloren, die Europäische Zentralbank hält die Zinsen niedrig und die Regierung von Premier Letta will noch vor Weihnachten ein Reformprogramm verabschieden.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 20.12.2013
"Mehr Wärme"
Die Erwartungen waren hoch gesteckt: Die Kosten für den aufgeblähten Staatsapparat sollten gekürzt, die Steuerhinterziehung bekämpft und Staatsbeteiligungen an Industrie und Banken verkauft werden. Dadurch - das verspricht die Regierung - kann der Steuerdruck auf Löhne und Gehälter verringert werden. Mit einem doppelten Gewinn: Italiens Industrie würde wieder wettbewerbsfähiger werden und die höheren Arbeitseinkommen den Konsum ankurbeln. Nach sechsjähriger Rezession würde die Wirtschaft wieder in Schwung gebracht. Wer dennoch skeptisch ist, dem tritt Premier Letta mit Zweckoptimismus entgegen: "Es ist nicht möglich alles auf einmal zu ändern. Aber die Wende ist eingeleitet, ich beharre darauf, und diese Wende wird mehr soziale Wärme bringen und ganz sicher Wachstum."
Je länger das Reformpaket für 2014, das hier sogenannte Stabilitätsgesetz, im Parlament diskutiert wurde, desto verwässerter wurde es. Bis schließlich nicht weniger als 800 Abänderungsanträge vorlagen. Zur Stunde stellt die Regierung die Vertrauensfrage in der Abgeordnetenkammer, am Montag dann in der zweiten Kammer, im Senat. Das beendet die Debatte. Seit Berlusconis Partei sich gespalten hat und er mit einem Teil in der Opposition ist, verfügt die Regierung über eine knappe, aber dafür sichere Mehrheit. Das Gesetz kann noch vor Weihnachten verabschiedet werden.
Skepsis der Industrie
Ob dadurch der Wirtschaftsaufschwung im nächsten Jahr garantiert ist, bleibt trotzdem fraglich. Der mächtige Interessensverband der Industrie schießt aus allen Kanonen: Die Maßnahmen seien zu halbherzig, die Regierung hat ihre Versprechen gebrochen, schreibt die Wirtschaftszeitung "il Sole 24 ore". Italien riskiere, den Anschluss zu den Euro-Partnern zu verpassen. Die lange Rezession habe sich wie ein Krieg auf die Wirtschaft ausgewirkt. Die Industrieproduktion ist um ein Viertel geschrumpft, auf das Niveau von 1986.
Die Arbeitslosigkeit wird trotz Stabilitätsgesetz bei 12 Prozent verharren, fast 5 Millionen Italiener leben in Armut. Das, so warnt das Sprachrohr der Industriellen, birgt die akute Gefahr einer sozialen Revolte gegen die Institutionen des Staates.
Die Regierung hat aber nur extrem wenig Spielraum: Wegen der Wirtschaftsflaute sind die Steuereinnahmen in diesem Jahr wieder gesunken, der Kampf gegen die massive Steuerhinterziehung kommt nur mühsam voran. Dadurch hat der Staat kaum Ressourcen für die versprochene Senkung der Arbeitskosten.
Denn - und das ist die positivste Nachricht - Italien will sich auch in den kommenden Jahren strikt an die Defizitgrenze von drei Prozent halten - wie die Währungsunion sie vorsieht.