Balten liegen damit im Trend

Litauen baut neues AKW

Litauen plant eine neues Atomkraftwerk und das trotz der eben erst vorangegangenen Atomkatastrophe in Fukushima. Begründet wird der Schritt von Litauen mit der derzeit 100 prozentigen Abhängigkeit von Russland. Damit liegt das baltische Land im Trend, denn die meisten Länder haben gewartet bis sich die Aufregung legt, um nun ihre Atompläne wieder hervorzuholen.

Mittagsjournal, 15.11.2011

Erdgas: Russland einziger Lieferant

Eine große Energiekonferenz in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Energiesicherheit ist das zentrale Thema. Energiesicherheit - das bedeutet für Litauen vor allem eines: die Unabhängigkeit vom übermächtigen Russischen Energiemarkt. "Wir beziehen 100 Prozent unseres Erdgases und 60 Prozent unseres Stroms aus Russland.", sagt der litauische Premier Andrius Kubelius - das sei auf die Dauer nicht haltbar. "Wir haben vor 20 Jahren die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit von der damaligen Sowjetunion erkämpft. Wir sind nach Europa zurückgekehrt, auf den europäischen Markt, der EU beigetreten. Was wir nun tun müssen, ist die energetische Unabhängigkeit von Russland zu erreichen." Und das gehe nicht ohne Atomkraft, so der litauische Premier. Aber es würden auch andere Energieformen berücksichtigt.

Kaum Alternativenergie

Kubelius: "Wir haben jetzt einen Gasterminal gebaut, um Zugang zum internationalen Gasmarkt zu haben. Wir bauen auch grüne Energie aus, Windkraft zum Beispiel. Aber der Bau des neuen Atomkraftwerks ist und bleibt für uns aber ein strategisches Ziel. Wir brauchen die Atomkraft, um die Basis unserer Energieversorgung sicher zu stellen."

Totale Abhängigkeit seit 2009

Diese extreme Abhängigkeit vom russischen Energiemarkt ist für Litauen erst in den letzten beiden Jahren so virulent geworden. Bis 2009 hatten die Litauer noch ihr eigenes AKW Ignalina, das immerhin 70 Prozent des Strombedarfs des Landes deckte. Doch im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen musste Litauen versprechen, das alte AKW nach einer Übergangsphase zu schließen. Ende 2009 war denn auch das aus für Ignalina. Und damit geriet Litauen in die nahezu Totalabhängigkeit vom russischen Energiemarkt.

Russland unberechenbar

Es ist nicht so, dass wir Angst vor Russland hätten, betont der litauische Außenminister Audronius Azubalis, es geht aber um die Berechenbarkeit eines Partners. "Wir glauben nicht, dass Russland uns den Gashahn zudreht, das nicht. Aber wir glauben, dass Russland einfach nach eigenem Gutdünken die Preise anhebt. Russland agiert nicht nach marktwirtschaftlichen Regeln, dessen müssen wir uns bewusst sein. Deshalb versuchen wir unser Atomprojekt vorwärtszubringen. Da sind wir schon ziemlich erfolgreich."

Alle drei baltischen Staaten beteiligt

Der Standort ist fix: das neue AKW soll in Visagina, unweit des alten AKW Ignalina gebaut werden. Finanziert wird es von den drei baltischen Staaten, also Litauen, Lettland und Estland plus Polen. Gebaut werden soll das AKW von einem japanisch-amerikanischen Firmenkonsortium. Die Verhandlungen seien in der Endphase, heißt es von litauischer Seite. Bis Ende des Jahres soll alles unter Dach und Fach sein. 2020 soll das neue AKW seinen Betrieb aufnehmen - so die grobe Planung.

Russland verliert Einfluss

Russland dürfte mit den AKW-Plänen der Balten und Polen keine Freude haben. "Vielleicht ist im Kreml jemand nicht sehr glücklich, Einfluss in der Region zu verlieren.", meint der litauische Premier.

Russisches AKW direkt vor der Haustür

Als Antwort baut nun Russland seinerseits einen neuen Reaktor in der russischen Enklave Kaliningrad, an der Grenze zu Litauen. Russland hat wohl versucht, Investoren vom litauischen Projekt abzuziehen, ist man in Litauen überzeugt. Die Regierung in Vilnius will auf jeden Fall an den Plänen für ein eigenes AKW festhalten.

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