FAO-Experte über die Hintergründe
Was Lebensmittel immer teurer macht
Der beständige Preisanstieg bei Lebensmitteln hat mehr Gründe als die Spekulation. Darauf macht ein Experte der Welternährungsorganisation (FAO) aufmerksam. Und er macht zugleich Hoffnung, dass das Problem mit mehr Ausbilodung der Bauern, vor allem in Afrika, in den Griff zu bekommen ist.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 21.4.2012
Problem wird ernstgenommen
Der Preisanstieg bei Lebensmitteln liegt seit Jahren deutlich über der Inflationsrate. In unseren Breiten ist das zwar unangenehm – aber nicht lebensbedrohend. In rund 20 Ländern der Welt – die meisten davon in Afrika – sieht die Situation ganz anders aus. Dort geben die Menschen schon jetzt 70 Prozent ihres Einkommens für Nahrung aus. Aber erst weil auch in den sogenannten entwickelten Ländern bemerkbar ist, dass die Preise ständig steigen, wird dieses Problem überhaupt ernst genommen, so Kostas Stamoulis, Direktor für Agrarentwicklung bei der UNO-Landwirtschaftsorganisation FAO.
"Unkoordinierte Maßnahmen"
Der starke Anstieg bei der ersten Lebensmittelkrise 2008 sei nicht unbedingt durch zu geringe Produktion entstanden, sondern durch Panik der Marktteilnehmer: "Die starke Teuerung 2008 wurde nicht unbedingt vom starken Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage ausgelöst, eher durch die unkoordinierten Maßnahmen, nachdem es bei einigen Produkten zu Engpässen und Preisanstiegen gekommen ist." Mit "unkoordinierten Maßnahmen" meint Kostas Stamoulis vor allem die Ankündigung von mehreren Ländern, ihre Weizen- oder Reisexporte einzuschränken oder gleich ganz zu verbieten. Ein weiterer Fehler sei es gewesen, dass man kaum mehr Lagerhaltung betrieben habe.
Produktivität hält nicht Schritt
Als weiterer Grund für die hohen Preise wird die ständig steigende Weltbevölkerung genannt. Doch die ist auch früher gestiegen. Von 1960 bis 2002 hat sich die Weltbevölkerung verdoppelt – trotzdem sind in dieser Zeit die Lebensmittelpreise ständig gesunken. Warum jetzt die Trendumkehr? Weil wir die Produktivität der Landwirtschaft nicht genug steigern. Denn zwar habe sich die Weltbevölkerung damals verdoppelt, aber auch die Produktivität sei deutlich angestiegen.
Höherer Fleischkonsum
Bleibt die Frage, ob nicht auch die berühmten Spekulanten und das viele billige Geld Schuld am Preisanstieg haben? Durchaus, so Kostas Stamoulis – aber es ist nicht der Hauptgrund. Dieser sei nämlich der deutlich gestiegene Fleischkonsum in Ländern, wo sich Menschen bisher hauptsächlich vegetarisch ernährt hätten. Und um ein Kilogramm Fleisch zu produzieren, muss man zig Kilo an Getreide verfüttern.
Bauern profitieren
Außerdem sei die Sache mit der Bio-Energie, die aus Pflanzen gewonnen wird, ebenfalls der Hauptpreistreiber. Aber man solle nicht vergessen – viele Bauern profitieren auch von den Preisanstiegen: "Wenn man sich die Zahlen ansieht, dann haben auf jeden Fall die Bauern in den OECD-Ländern von den hohen Preisen profitiert. Und es gibt Rekordernten, auch in vielen Entwicklungsländern. Seit 2008 hatten wir einige Rekordernten. Bauern auf der ganzen Welt haben, motiviert durch die hohen Nahrungsmittelpreise, viel mehr erzeugt."
Frage der Ausbildung
Die Welt habe noch enormes landwirtschaftliches Potenzial. So könnten die Länder rund um Sambia im südlichen Afrika das Vielfache des Eigenbedarfs produzieren. Doch dazu braucht es politische Stabilität – und vor allem – Ausbildung der Bauern: "In manchen Ländern Afrikas ist das, was geerntet wird, nur ein Fünftel von dem, was möglich wäre und was auf Versuchsstationen genau dort im gleichen Umfeld produziert wird. Und zwar mit existierenden Technologien. Die Bauern brauchen bessere Anreize und besseres Wissen, um diese Technologien anwenden zu können. Es gibt dort draußen ein riesiges Potenzial."
Trotzdem werden die Preise für Lebensmittel weiter steigen. Sie werden in den kommenden zehn Jahren im Schnitt rund 18 Prozent höher sein als in den Jahren davor, so Kostas Stamoulis. Aber wenn das Geld die Bauern auch erreicht, dann sei das eigentlich eine gute Sache.