Schonungslose WikiLeaks-Enthüllungen

Russland im Griff der Mafia

In den von WikiLeaks veröffentlichen Unterlagen kommt Russland überhaupt nicht gut weg: Die eigentlich für den internen US-Gebrauch gedachten Dokumente decken auf, was bisher nur vermutet wurde: Korruption in höchsten Kreml-Kreisen, Verbindungen zwischen organisierter Kriminalität und Politmorden sowie Mafia-Hintergründe für milliardenschwere Gasgeschäfte.

Mittagsjournal, 02.12.2010

Schonungslose Berichte

Natürlich wird die Initiative von Präsident Obama, die Beziehungen zu Russland nach dem Tiefpunkt der Bush-Ära wieder etwas zu verbessern, durch die Enthüllungen von Wikileaks nicht wertlos. Die Depeschen nach Washington berichten aber schonungslos – und das ist ja auch ihre ureigenste Aufgabe – über die innenpolitische Verfasstheit Russlands.

Wenig Schmeichelhaftes

"Kleptokratie", also die organisierte Ausplünderung eines Staates durch die politische Elite, ist nur eine der nicht eben schmeichelhaften Charakterisierungen durch die amerikanischen Diplomaten. Dass der russische Inlandsgeheimdienst FSB und andere Sicherheitsstrukturen praktisch die Macht im Staat übernommen haben, ist nicht nur in Washington bekannt. Es aber ungeschminkt zu lesen, muss alle jene Politiker beschämen, die aus kommerziellen Erwägungen heraus in Russland eine blühende Demokratie sehen.

Korruption im Kreml

Wie aus Veröffentlichungen der New York Times hervorgeht, beschreiben die Depeschen Putin als manchmal brutal, unabänderlich zynisch und korrupt. Behörden kassierten Schmiergelder, die immer weiter nach oben gereicht würden, bis sie eben zuweilen auch den Kreml erreichten. Zu einigen Veröffentlichungen hat Putin schon Stellung bezogen: Er nannte den Vergleich von Präsident Medwedew mit Batman-Assistenten Robin "arrogant" und einen "Versuch, die Führung zu kompromittieren". Die kontrollierte russische Öffentlichkeit erfährt davon nicht viel, und zu den brisanteren Themen herrscht Zurückhaltung. Man will sich an dem Waschen diplomatischer Schmutzwäsche nicht beteiligen, soweit das Außenministerium.

Polit-Aufträge an die Mafia

Trotzdem: Wer nach den Ursachen für die notorische Unaufklärbarkeit politischer Kapitalverbrechen wie etwa die Ermordung von Anna Politkowskaja oder Natascha Estimirowa, forscht, wird vielleicht die Aussagen eines spanischen Staatsanwaltes interessant finden. Dieser hat seinen amerikanischen Gesprächspartnern erzählt, dass russische Politiker Hand in Hand mit der organisierten Kriminalität zusammenarbeiten, um Handlungen vorzunehmen, die sie korrekterweise nicht selber vornehmen können. Das ahnt zwar jeder russische Zeitungsleser, es im Ausland diskutiert zu sehen, kann für Russlands Politiker nicht angenehm sein.

Mafiaboss hinter Gasgeschäften

Ein Schlaglicht auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und der Ukraine, auf die Zeit der internen Querelen im orangen Lager und die Gaskrisen werfen die Aussagen eines der hochmysteriösen Gashändler gegenüber dem amerikanischen Botschafter William Taylor: Dmitri Firtasch, Hälftebesitzer der skandalumwitterten Firma RosUkrEnergo, hat nicht nur in einem gut dokumentierten Monolog dem Diplomaten seinen Aufstieg zum Gashändler Nummer eins geschildert. Er hat auch, so die Depesche nach Washington, seine Verbindungen zu dem russischen Unterweltboss Semeon Moglievich eingestanden, ja Moglievich stehe quasi im Hintergrund dieser milliardenschweren Gasgeschäfte. Auch das wurde im Grunde ja alles immer wieder gemutmaßt. Dank der veröffentlichten Dokumente verdichten sich nun diese Thesen zur Gewissheit.

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