80 Jahre Zweite Republik Zwischen Trümmern und Neubeginn

Radiokolleg Wie Österreich neu formiert wurde

Gemeinsam erinnern Was Kinder nach 1945 erlebt haben

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29 Heimatvertriebene aufgenommen
Frau Zach, Jg. 1938
Ich war sechs Jahre alt in 45er Jahr am 6. Juni, da haben wir haben wir auf einer Wiese gearbeitet, und da ist ein Zug von Menschen auf der Straße runtergekommen von der anderen Ortschaft. Da hab ich noch zehn Kilometer von der Grenze in meinem Elternhaus gewohnt. Mein Vater war damals Ortsvorsteher, und wir haben eine neu gebautes Haus gehabt, wo noch niemand drin gewohnt hat. Und da war dann 29 Flüchtlinge aufgenommen. Da war von Holleschitz (Anm.: heute Holešice) der Bürgermeister dabei mit neun Kindern. Und der ist getragen worden auf so Brettern. Den haben die die Tschechen so geschlagen, dass er am ganzen Körper ganz blau war. Und der hat bei uns dann von Juni bis nächsten Juni, wo sie nach Deutschland gekommen sind, nur Pudding, Milch und Semmeln und Biskotten gegessen. Und bei uns hat er noch das Jahr gelebt und in Deutschland draußen ist er gestorben. Meine Mutter hat ihm damals alle Kopfpolster mitgegeben, die sind dann beim Hinauswandern im Juni in einen Viehwaggon h...
weiterlesenFamiliengeschichten Niederösterreich 27. Juni 2025
Vater mit 6 Jahren kennengelernt, er blieb fremd
Frau Six
Meinen Vater habe ich eigentlich erst mit 6 Jahren richtig kennen gelernt, weil ich bin 38 geboren und er ist 38 eingerückt. Und dann ist er nur immer so zwischendurch auf zwei Tage heimgekommen, da hab ich ihn nicht richtig kennengelernt, ich hab mich eigentlich gefürchtet vor ihm, weil das ein unbekannter Mann war für mich. Da hat er sich gleich in der Holzhütte ausgezogen, weil er voll war mit Flöhen. Und dann hab ich ihn erst so ein bissl kennengelernt. Aber es hat einen anderen Mann in unserem Haus gegeben, der war wie ein Vater zu mir, zu dem hab ich „Tati“ gesagt. Also mein Vater war mir eigentlich fremd, und das ist eigentlich immer geblieben, also bin ich mit ihm nie so richtig warm geworden.
weiterlesenFamiliengeschichten Steiermark 27. Juni 2025
Traurige erste Weihnachten mit dem Vater
Frau Ertö, Jg. 1939
Er hat nichts erzählt. Ich war noch zu jung, dass ich gefragt hab, aber wir haben zu Haus gesprochen, er hat nichts erzählt. Der wollte vom Krieg, glaube ich, nicht reden. Er hat zwei Brüder verloren. Die waren nicht einmal 25 Jahre, im Krieg eingerückt. Aber vor seinen Erlebnissen hat er nichts erzählt, das war wahrscheinlich so arg. Ich weiß es nicht. Die ersten Weihnachten waren auch so traurig, man hat ja nichts gehabt. Äpfel haben wir aufgehängt am Baum mit Holzstäbchen angebunden, am Abend hat´s eine Eierspeis gegeben, das war schon war schon was Großes, das waren die ersten Weihnachten halt, wie er heimgekommen ist, aber wir waren beieinander, und das war wichtig.
weiterlesenFamiliengeschichten Steiermark 27. Juni 2025
Bei Gesprächen über den Krieg ging mein Vater
Ludwig Blamberger, Jg. 1943
Ich kann mich nur an eines erinnern, dass viele Männer, wenn wir einen Ausflug gemacht haben, dann immer irgendetwas über den Krieg erzählt haben. Und dass mein Vater dann immer aufgestanden und gegangen ist. Also das sind die Eindrücke. Zu Hause hat er nie drüber geredet. Und auch alle Gespräche mit anderen über den Krieg hat er gemieden, wenn die meisten über Kriegserlebnisse, wo sie Helden waren, erzählt haben. Ich habe nur eine Erinnerung, dass er in Kiew war, in der Ukraine und irgendwo am Rande mit diesen Erschießungen zu tun hatte. Ja, ich bin ein absoluter Pazifist. Ich habe das einfach erlebt, was da war und der Verlust. Und ich sehe diese vielen Leute, die gestorben sind. Also für mich war das eine Geschichte, die unvorstellbar ist und ich fühle mich auch in dieser Zeit hier nicht wohl, wo ein Schritt zurück passiert in die Vergangenheit und man sich wieder gegenseitig über Kontinente hinweg anbrüllt, und das ist einfach eine fürchterliche Geschichte.
weiterlesenFamiliengeschichten Oberösterreich 25. Juni 2025
Kauf dir ein Schaf und schlaf!
Michael Romirer
Das hat auch der Vater ganz zum Schluss erzählt, das ist so gegangen im Volksmund: „Kauf dir ein Schaf und schlaf!“ Die Bauern haben müssen bestimmte Kontingente von ihrem Stierbestand zwangsabliefern. Also wenn man mehrere Ochsen gehabt hat, das ist pro Betriebsgröße vorgeschrieben gewesen, bei uns ist ja Rindergegend, ja, und der Schafe gehabt hat, ist davon ausgenommen gewesen. Da hat man halt nicht direkt formuliert, sondern einfach gesagt: „Kauf dir ein Schaf und schlaf!“ Ja, das hab ich sehr oft gehört immer wieder.
weiterlesenFamiliengeschichten Steiermark 25. Juni 2025
Verschwundene Russen im Wechselgebiet
Michael Romirer
Ich komme aus Vorau, und weiter oben auf der Alm haben wir Verwandte, die haben nichts gehabt und die haben die ganze Zeit in den 60er und 70er Jahren nur von dem erzählt und auch jetzt auch mein Vater am Schluss, da hat er dann unglaublich schöne Dinge und auch nicht ganz schöne Dinge erzählt. Bei uns im Wechsel Gebiet, da sind ja so viele russische Soldaten verschwunden und mein Vater, der hat mir dann Dinge erzählt ja wie das wirklich war oder seine Wahrnehmung oder sein Wissen. Und das ist, ja glaube ich, auch hochbrisant noch immer, weil das waren Morde, da hat man Leute verschwinden lassen, eingraben irgendwo und so. Und zwar, weil da hab ich den Zettel, das ist vielleicht eines der haarsträubendsten Erzählungen. Das waren im Hochwechselgebiet, Seppling-Karndorf; da sind die Russen plündern gekommen, mehrere und die haben sich da aufgeteilt bei den Bauern und bei dem Seppling-Karndorf haben sich die Bauern dann getroffen, weil er war der der höchstgelegene Bauernhof, am nächs...
weiterlesenFamiliengeschichten Steiermark 25. Juni 2025
Der wild aussehende Mann war mein Vater
Otto Schöffel
Mein Vater ist dann irgendwann zurückgekommen. Da war ich dann schon sieben Jahre alt von der Kriegsgefangenschaft, und die haben wenig erzählt. Wenn man gefragt hat, hat man nicht sonderlich viel Antwort bekommen. Für mich tragisch war das Zurückkommen. Ich habe im Mühlbach, der bei so einer Mühle dabei ist, gebadet und. Und plötzlich kommt da ein wild aussehender Mann auf mich zu, nimmt mich und hält mich fest im Arm. Ich habe zu schreien begonnen. Ich hab ihn ja nicht erkannt. Es war immerhin meine erste bewusste Begegnung mit meinem Vater. Ich bin davongelaufen zur Mama und habe geschrien, Mama, Mama, da ist ein fremder Mann, der will mir was tun. Also mein erster Kontakt mit dem Vater ist so abgelaufen, a Katastrophen. Es war schwer für mich und hat lange gedauert, ein Verhältnis zum Papa aufzubauen. Der war immer nett zu mir und immer freundlich. Ich bin nur leider dann mit zehn Jahren schon in ein Klosterinternat gekommen, weil ich ja was studieren sollte und mein Bruder w...
weiterlesenFamiliengeschichten Niederösterreich 25. Juni 2025
Vater handelte am Schwarzmarkt mit Rasierklingen
Elke Sengmüller
Mein Vater war relativ alt, Jahrgang 1895. Er wurde ganz zum Schluss eingezogen, nach Arnoldstein und dort hat er sich so, was ich so gehört habe, wirklich unabsichtlich den Arm ausgerenkt und eine Schulterverletzung gehabt, und ist dadurch nicht an die Front gekommen. Er war Kaufmann und wurde vorher nicht eingezogen, weil er für die Wirtschaft wichtig war. Es ist uns im Krieg eigentlich immer gut gegangen. Ich weiß, dass mein Vater immer nach Wien gefahren ist und am Karlsplatz am Schwarzmarkt gehandelt hat. Also, ich kann mich erinnern zum Beispiel an einen Riesenkoffer voller Rasierklingen. Ich weiß nicht, was er alles gehandelt hat, aber an die Rasierklingen kann ich mich erinnern. Ich glaube, das war etwas sehr Wertvolles damals.
weiterlesenFamiliengeschichten Kärnten 24. Juni 2025
Meine Schwestern und die englischen Soldaten
Elke Sengmüller
Als wir in Sallach oder eigentlich Pritschitz gewohnt haben, da war daneben auf einer großen Wiese ein Engländerlager. Und ich kann mich sehr gut erinnern, dass ich oft am Zaun gestanden bin und die Engländer sind vorbeigegangen und haben mir Schokolade gegeben. Das kann ich mich sehr gut erinnern. Ich hatte eine 16 Jahre ältere Schwester und eine 18 Jahre ältere Ziehschwester. Und die waren schon erwachsen natürlich. Sie waren zusammen mit englischen Offizieren, sind mit ihnen ausgegangen. Meine Ziehschwester hat dann einen Engländer geheiratet und ist nach England gezogen. Sie ist vor zwei Jahren gestorben. Meine Schwester war Jahrgang 1924, die war auch verlobt mit einem englischen Offizier. Aber meine Eltern haben ihr verboten zu heiraten. Das ist damals noch möglich gewesen.
weiterlesenFamiliengeschichten Kärnten 24. Juni 2025
Bombennacht in Villach
Elke Sengmüller
Ich habe damals in Villach gelebt. Das dürfte die Bombennacht am 22. 03. 45 gewesen sein. Da war ich vier Jahre. Das ist wahrscheinlich meine allererste Erinnerung, die ich überhaupt habe. Wir haben in der Nähe des Bahnhofs gelebt. Der Bahnhof war Kreuzungspunkt und wurde bombardiert. Ich kann mich erinnern, dass wir vor dem Haus gestanden sind. Und plötzlich hat jemand gerufen Da fallen Christbäume. Ich kann mich gut erinnern, dass ich keine Christbäume gesehen habe. Später ist mir klar geworden das waren Beleuchtungskörper, die Flugzeuge abgeworfen haben, um zu schauen, wo sie die Bomben abwerfen sollen. Aber wir sind dann sehr schnell in den Keller gegangen. Wir hatten einen Keller, den mein Vater abgestützt hat, damit er nicht einbricht, falls eine Bombe aufs Haus fällt. Ich kann mich an die Bombe, die in unser Haus gefallen ist, nicht erinnern. Aber daran, wie wir aus dem Keller rausgegangen sind. Es hat einen Kellerausgang gegeben, in den Garten und der war voller Schutt. A...
weiterlesenFamiliengeschichten Kärnten 24. Juni 2025
Mein Vater, der fremde Mann
Manfred Golda, Jg. 1941
Mein Vater kam erst 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Da stand plötzlich ein fremder Mann in der Tür. Meine Mutter hat sich umgedreht und geschaut, was denn da los ist und hat einen Freudenschrei ausgestoßen. Die zwei sind sich da im Arm gelegen - und ich bin daneben gestanden und hab nicht gewusst, was los ist. Und dann hat sie gesagt, das ist dein Papa! Oder: dein Vater. Ha! Bis ich mich daran gewöhnt habe, dass da jetzt noch ein männliches Wesen im Haus ist, das hat eine Weile gedauert.
weiterlesenFamiliengeschichten Kärnten 31. Mai 2025
Postmeisterin hat Soldaten verraten
Frau Freudenthaler, Jg. 1935
Ich hab den Bombenangriff am 16. Oktober 1944 live erlebt in Linz. Aber dann, 1945, war ich im Mühlviertel und habe dort das Kriegsende erlebt, in Königswiesen. In Wien war schon eine Regierung und dort in Linz, ist zuerst SS gekommen, ich war im Dorf bei meiner Tante. Die SS, die wollten eben da noch verteidigen, denn die Russen waren im Anzug. Und die SS ist noch aus dem Dorf gelaufen. Die Russen hinterher. Und das war noch ein richtiges Kriegsende dort. Dann sind die Amerikaner gekommen nach den Russen. Und das vorher, das ist auch eine tragische Sache: in den ersten Maitagen oder letzten Apriltagen hat die Postmeisterin vom Dorf, bei der kam ein junger Soldat, wollte mit seinen Eltern telefonieren, hat es auch gemacht und hat gesagt. „Ich bin so nahe zu daheim, ich komm jetzt. Der Krieg, es ist aus.“ Die Postmeisterin, eine so fanatische Frau, hat das sofort weitergegeben. Er wurde noch sofort standrechtlich geköpft oder gehängt. Das war in den letzten Tagen, wo in Wien sch...
weiterlesenFamiliengeschichten Oberösterreich 23. Mai 2025
Sogar auf die Gräber fielen Bomben
Frau Freudenthaler, Jg. 1935
Ich lese Ihnen von meiner Cousine, Viktoria Blasl, vor. Sie schreibt als Überschrift: „Sogar auf die Gräber fielen Bomben“. „Meine Eltern wohnten in Linz in der Altstadt. Am zwölften Februar 45 gingen sie das Heulen der Sirene in den eigenen Keller. Doch da kam der Luftschutzwart und sagte zu ihnen, sie solle lieber in das gegenüberliegende, stärkere Haus kommen. Sie liefen mit. Doch Bomben fielen bereits, als sie in das Vorhaus kamen. Sie wurden verschüttet. Mit einem Schlag verlor sie Vater und Mutter. Die Mutter fand man nach drei Tagen auf einem Leiterwagen liegend. Den Vater fand man erst nach drei Wochen unter dem Schutt, als die Todesursache der Eltern kam, konnte ich nicht per Bahn nach Linz fahren von Enns. So ging ich in die Ennser Kaserne und fragte, ob mich ein Militärauto mitnehmen könnte. Nach langem Reden nahm mich eines mit. Dann konnte ich mit meiner Schwester alles weitere besprechen. DieToten dieses Viertels der letzten Nacht waren im Turnsaal der Raimundschule...
weiterlesenFamiliengeschichten Oberösterreich 23. Mai 2025
Opa weinte bei Radioübertragung des Staatsvertrags
Horst Stadler, Jg. 1945
Ich hab einen Opa gehabt, eigentlich Großonkel, ich bin am Bauernhof groß geworden, er war einer, der sehr kritisch mit dem Hitler war. Aber er war so alt, dass er nicht mehr eingezogen worden ist. Er hat mir von der Nachkriegszeit erzählt. Ich weiß noch, dass er erzählt hat: am 15. Mai 1955 hat sich der Opa zwei Monate davor einen Volksempfänger gekauft. Hat eh kein Geld gehabt, aber hat ihn sich geleistet. Und dann bin ich am 15. Mai mit ihm auf der Ofenbank gesessen, und dann sind um 11 Uhr Leopold Figl und die Staatsvertragsunterzeichnungsmächte auf den Balkon übertragen worden, wo Figl die Worte gesagt hat „Österreich ist frei“. Mein Opa hat nie geweint und in diesem Augenblick hat er wie ein kleines Kind vor Freude geweint. Da war er 80 Jahre alt. Und seitdem bin ich ein glühender Verfechter der Demokratie, der Werte der Freiheit, der Vielfalt, weil ich merke, was für ein Schatz das ist, wenn man das verloren gehabt hat. Für mich ist das sicher in meiner Einstellung ein Wendep...
weiterlesenFamiliengeschichten Oberösterreich 20. Mai 2025
Über den Hohen Göll zu den deutschen Großeltern
Frau Seebacher, Jg. 1940
Ich leb hier in Braunau, also in Ranshofen. Braunau ist ja die Geburtsstadt Hitlers. Ich bin Jahrgang 40 und mein Bruder 42 und unser Vater stammte aus Westfalen und ist aber, als ich drei Jahre alt war, im Krieg gefallen. Meine Mutter hat dann nochmal geheiratet und wir hatten eine kleine Schwester, die war noch ein Baby und wir sollten die Ferien bei unseren Großeltern in Westfalen verbringen. Aber unsere Brücken waren ja gesprengt in Braunau. Und es gab keine Möglichkeit, nach Deutschland zu kommen. Auch nicht über die Staustufe ungefähr zehn Kilometer von hier weg, was meine Mutter alles versucht hat. Und so sind wir auf die Idee gekommen, nach Salzburg bzw. Hallein zu fahren. Mein Stiefvater und meine Großmutter haben uns begleitet, weil meine Mutter hatte ja das Baby. Und wir fuhren dort und gingen unter den Hohen Göll, da gab es eine Hütte genau an der Grenze. Und ich glaube, das war das Purtschellerhaus. Und da haben sich viele Menschen getroffen. Und von der anderen Seite ...
weiterlesenFamiliengeschichten Oberösterreich 20. Mai 2025