Das Literaturjahr 2016

Mit Martin Walsers Roman "Ein sterbender Mann" hat das Jahr begonnen, eine der letzten großen Neuerscheinungen war dann "Cox oder Der Lauf der Zeit" von Christoph Ransmayr. Was lag dazwischen?

Gab es besondere Entdeckungen oder besondere Ärgernisse? Was wurde in den Feuilletons groß besprochen, haben sich so etwas wie literarische Trends abgezeichnet? Und welche Titel waren im Buchhandel erfolgreich?

Bücher

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Morgenjournal, 20.12.2016

Überraschungserfolg von Jane Gardam

Drei Euro und 50 Cent pro Monat hat der österreichische Durchschnittshaushalt im vergangenen Jahr für Belletristik ausgegeben, sagt die Statistik Austria. Wenn man ein bisschen mehr hinlegen will, auf welche Titel soll man da setzen? Jane Gardam ist für die Diskutanten der Name des Jahres, den man sich noch merken werde, zeigen sich Literaturkritiker Klaus Nüchtern, die Germanistin Daniela Strigl, Buchhändlerin Petra Hartlieb in großer Einigkeit.

Kulturjournal, 20.12.2016

Was könnte von diesem Bücherjahr bleiben? Darüber diskutieren Daniela Strigl, "Falter"-Redakteur Klaus Nüchtern und Petra Hartlieb.

Die Grande Dame der britischen Literatur hat spät zu ihrem deutschen Publikum gefunden. Genau genommen erst vor einem Jahr, als Jane Gardams Roman "Ein untadeliger Mann" hierzulande völlig überraschend zu einem Bestseller avancierte. Dann aber ging es Schlag auf Schlag. Nur ein halbes Jahr später folgte "Eine treue Frau" und jetzt "Letzte Freunde" - als dritter Band der Trilogie über den Niedergang des British Empire.

Die Kritiker-Empfehlung müsste sich allerdings noch herumsprechen. Bei Amazon liegt "Letzte Freunde" auf Verkaufsrang 639. Wenig überraschend behauptet sich auf Platz 1 der diversen Rankings seit Ende Sept "Harry Potter und das verwunschene Kind". Und ganz vorne mit dabei ist neben Paolo Coelhos "Spionin" auch Christoph Ransmayr mit "Cox oder Der Lauf der Zeit".

Zukunft der Literatur

Liegt die Zukunft der Literatur in der radikalen Autobiografie?, fragte unlängst die deutsche Tageszeitung "Die Welt" angesichts der neuen Bücher von Thomas Melle, Benjamin von Stuckrad-Barre, Karl Ove Knausgard, John Burnside und nicht zuletzt Joachim Meyerhoff. Dass das klassische Erzählen in die Fernsehserien abwandert, und sich die Literatur wieder auf das Radikalsubjektive besinnt, sei eine brauchbare These, so Klaus Nüchtern.

Die Themen der Zeit - Terror, Krieg und Massenflucht und das Gefühl, dass wir in einer Epoche fundamentaler politischer Umbrüche leben - was sich etwa in Romanen von Marlene Streeruwitz oder Sabine Gruber spiegelt, das spielt im Weihnachtsgeschäft keine große Rolle, meint Petra Hartlieb.

Große Romanwerke sind jedenfalls für 2017 angekündigt: bereits im Jänner kommt ein neuer Roman von Martin Walser heraus und mit 1.300 Seiten das Opus magnum von Paul Auster, "4321".

Service

Die erwähnten Bücher

John Burnside, "Wie alle anderen", Albrecht Knaus Verlag
Emma Cline, "The Girls", Hanser
Cynthia D'Aprix Sweeney, "Das Nest", Klett-Cotta
Jane Gardam, "Ein untadeliger Mann" / "Eine treue Frau" / "Letzte Freunde". (Alle:) Hanser Berlin
David Garnett, "Dame zu Fuchs", Dörlemann Verlag
Sabine Gruber, "Daldossi oder Das Leben des Augenblicks", C.H. Beck
Petra Hartlieb, "Ein Winter in Wien", Kindler
Karl Ove Knausgard, "Sterben" / "Lieben" / "Spielen" / "Leben" / "Träumen". (Alle:) Luchterhand
Friederike Mayröcker, "fleurs", Suhrkamp
Thomas Melle, "Die Welt im Rücken", Rowohlt Berlin
Joachim Meyerhoff, "Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke", Kiepenheuer & Witsch
Terezia Mora, "Liebe unter Aliens", Luchterhand
Klaus Nüchtern, "Kontinent Doderer - Eine Durchquerung", C.H.Beck
Christoph Ransmayr, "Cox oder Der Lauf der Zeit", S.Fischer
Kathrin Schmidt, "Kapoks Schwestern", Kiepenheuer & Witsch
Marlene Streeruwitz, "Yseut. - Abenteuerroman in 37 Folgen", S. Fischer
Daniela Strigl, "Berühmt sein ist nichts. Marie von Ebner-Eschenbach - Eine Biografie", Residenz
Benjamin von Stuckrad-Barre, "Panikherz", Kiepenheuer & Witsch
Martin Walser, "Ein sterbender Mann", Rowohlt
Anna Weidenholzer, "Weshalb die Herren Seesterne tragen", Matthes & Seitz
Juli Zeh, "Unterleuten", Luchterhand

Die Welt - In welche Richtung will die Gegenwartsliteratur?

Übersicht