Postmeisterin hat Soldaten verraten

Frau Freudenthaler, Jg. 1935

Ich hab den Bombenangriff am 16. Oktober 1944 live erlebt in Linz. Aber dann, 1945, war ich im Mühlviertel und habe dort das Kriegsende erlebt, in Königswiesen. In Wien war schon eine Regierung und dort in Linz, ist zuerst SS gekommen, ich war im Dorf bei meiner Tante. Die SS, die wollten eben da noch verteidigen, denn die Russen waren im Anzug. Und die SS ist noch aus dem Dorf gelaufen. Die Russen hinterher. Und das war noch ein richtiges Kriegsende dort. Dann sind die Amerikaner gekommen nach den Russen. Und das vorher, das ist auch eine tragische Sache: in den ersten Maitagen oder letzten Apriltagen hat die Postmeisterin vom Dorf, bei der kam ein junger Soldat, wollte mit seinen Eltern telefonieren, hat es auch gemacht und hat gesagt. „Ich bin so nahe zu daheim, ich komm jetzt. Der Krieg, es ist aus.“ Die Postmeisterin, eine so fanatische Frau, hat das sofort weitergegeben. Er wurde noch sofort standrechtlich geköpft oder gehängt. Das war in den letzten Tagen, wo in Wien sch...

weiterlesen

Familiengeschichten Oberösterreich 23. Mai 2025

Sogar auf die Gräber fielen Bomben

Frau Freudenthaler, Jg. 1935

Ich lese Ihnen von meiner Cousine, Viktoria Blasl, vor. Sie schreibt als Überschrift: „Sogar auf die Gräber fielen Bomben“. „Meine Eltern wohnten in Linz in der Altstadt. Am zwölften Februar 45 gingen sie das Heulen der Sirene in den eigenen Keller. Doch da kam der Luftschutzwart und sagte zu ihnen, sie solle lieber in das gegenüberliegende, stärkere Haus kommen. Sie liefen mit. Doch Bomben fielen bereits, als sie in das Vorhaus kamen. Sie wurden verschüttet. Mit einem Schlag verlor sie Vater und Mutter. Die Mutter fand man nach drei Tagen auf einem Leiterwagen liegend. Den Vater fand man erst nach drei Wochen unter dem Schutt, als die Todesursache der Eltern kam, konnte ich nicht per Bahn nach Linz fahren von Enns. So ging ich in die Ennser Kaserne und fragte, ob mich ein Militärauto mitnehmen könnte. Nach langem Reden nahm mich eines mit. Dann konnte ich mit meiner Schwester alles weitere besprechen. DieToten dieses Viertels der letzten Nacht waren im Turnsaal der Raimundschule...

weiterlesen

Familiengeschichten Oberösterreich 23. Mai 2025

Russisches Geburtstagsstamperl

Gerhard Karpiniec

Ich bin 1941 als Staatenloser in Wien geboren. Meine Eltern kommen aus Czernowitz. Das als Hintergrund zu dieser Geschichte. Unsere Familie hat Freunde in Linz. Und von Linz musste man natürlich durch die Besatzungszone Niederösterreich fahren, um dort anzukommen. Und da gibt es diese Geschichte, die unseren Eltern sehr, sehr starkes Bedenken hatten. Und zwar der Zug ist irgendwo über die Enns oder die Traun gefahren und wurde damals dort von den Russen aufgehalten und kontrolliert. Bei einer Kontrolle nahm ein Offizier irgendeinen Mitreisenden fest, hat ihn rausgenommen und die kamen und kamen nicht zurück. Und als sie zurückkamen, war der Fahrgast stockbetrunken. Der Grund war ganz einfach: Der Offizier hatte beim Durchlesen bemerkt, dass die zwei das gleiche Geburtsdatum hatten. Ja, das ist die Geschichte zum Schmunzeln. Was meine Eltern natürlich doch sehr bedrückt hat, weil damals gab es einige Verschleppungen, die auch bekannt wurden, meist nur durch Hörensagen: sie hatten Ang...

weiterlesen

Besatzungsmächte Oberösterreich 23. Mai 2025

Hamstern in der Nachkriegszeit

Frau Liegl, Jg. 1937

Es waren hauptsächlich Mütter, die damals Essen auftrieben. Sie packten Hausrat in Rucksäcke und zogen alleine oder zu zweit los. Viele Männer waren noch nicht vom Krieg zurück oder hatten keine Arbeit und es gab nur Essen mit Lebensmittelkarten. Sie versuchten ihr Glück bei Bauern, um eventuell etwas Fleisch oder Obst für die Kinder heim zu bringen. Manchmal waren eine Bekannte und meine Mutter auch länger aus und halfen bei den Bauern mit für Kost und Quartier. Es gab kein Telefon, also musste meine Großmutter auf uns aufpassen und aus fast nichts Essen machen, bis endlich der Rucksack am Küchentisch landete. 1946 bekam ich als unterernährte Schulkind von der Volkshilfe einen Erholungsurlaub in der Steiermark. Meine Pflegeeltern hatten ein Gasthaus. Dorthin wanderte meine Mutter auch immer tagelang und blieb für einige Tage. Ich war dort zwei Monate und besuchte die dritte Klasse Volksschule, obwohl der Aufenthalt über die Volkshilfe nur sechs Wochen galt. Die Pflegeeltern bes...

weiterlesen

Frauen, Mütter, Kinder Niederösterreich 22. Mai 2025

Ein Kilo Zucker zu viel

Herr König, Jg. 1938

Wie das aus war, ist von der Gemeinde eine Gruppe gekommen, paritätisch zusammengesetzt aus den drei Parteien, und haben geschaut, ob wir Lebensmittel gehortet haben. Meine Mutter hat drei oder vier Kilo Zucker gehabt und da waren zwei da und der eine hat gesagt: „Das ist ja viel zu viel, was sie da haben“. Also eine Familie mit 5 Personen. Und hat darauf bestanden, dass ihr ein Kilo Zucker weggenommen wird. Und ein Zweiter, das war der Kommunist interessanterweise, sagt: „Geh lass doch der Frau den Zucker.“ Ich weiß die Namen auch, aber die sage ich lieber nicht. Meine Mutter hat sich vor dem niedergekniet und hat ihn angefleht, den Kilo Zucker zu lassen. Und der hat darauf bestanden, dass er weggenommen wird. Und ich habe mir damals vorgenommen, den bring ich um. Das ist bis heute bei mir noch drinnen. Er ist dann von selber gestorben. Die Sache war also überflüssig.

weiterlesen

Versorgung Niederösterreich 20. Mai 2025

Energische Mutter verscheuchte Russen

Herr König, Jg. 1938

Meine Mutter war verwitwet und nochmal verheiratet. Ende des Krieges habe ich zwei Geschwister gehabt, eines 2 Jahre, eines 1 Jahr alt, und die Russen sind gekommen. Wir haben ein Haus in Klosterneuburg gehabt, sie sind ins Haus gekommen, die Soldaten, zu den Kindern waren sie wirklich sehr lieb. Wir haben Zuckerl gekriegt, woher sie die Zuckerl gehabt haben, weiß ich nicht. Wir waren eigentlich eher angetan von ihnen. Sie sind leider Gottes am Nachmittag oder am Abend auch gekommen und da sind ja versteckt worden. Und meine Mutter war in diesem Haus, wo wir waren, waren fünf Frauen und kein einziger Mann. Und der einzige Mann war meine Mutter. Und wenn die gekommen sind, hat sie das Fenster aufgerissen. 200 Meter von uns war eine Kommandostelle in der Hauptstraße unten und hat gebrüllt, was gegangen ist, hat einem Unteroffizier alle Ehre gemacht: „ Die Russen sind da!“ und „Kommandatura“. Und tatsächlich sind in den meisten Fällen Minuten nachher ist ein Wagen gekommen und hat die...

weiterlesen

sonstiges Niederösterreich 20. Mai 2025

Erste Zweifel am Nazisystem durch eine „Verrückte“

Herr König, Jg. 1938

Knapp vor Ende des Zweiten Weltkrieges, ich war sieben Jahre und begeistert, wenn die Soldaten herumgelaufen sind mit rotem oder blauem Band obendrauf. Die Alten haben das gestärkt: „Das sind diejenigen, die uns vor den Russen beschützen.“ Meine Sicht damals war, die waren immer sehr lieb zu uns. Eines Tages lauft die Skallgasse eine circa 25-jährige Frau herunter, den Namen weiß ich heute noch. Sie hieß Kriegl und hat fast unartikulierte Sachen vor sich geschrien. Im wahrsten Sinn des Wortes. Und alle haben gesagt, die spinnt. Und ich bin draufgekommen, die war in Mauthausen und hat gesehen, dass ihr Verlobter auf der Steinstiege, der bekannten, also praktisch zu Tode gebracht wurde und wollte das irgendjemandem mitteilen. Und damals, mit meiner sieben Jahren, ist mir gekommen der Gedanke, da muss in dem System was falsch sein. Und da sind erste Zweifel bei mir gewachsen.

weiterlesen

sonstiges Niederösterreich 20. Mai 2025

Opa weinte bei Radioübertragung des Staatsvertrags

Horst Stadler, Jg. 1945

Ich hab einen Opa gehabt, eigentlich Großonkel, ich bin am Bauernhof groß geworden, er war einer, der sehr kritisch mit dem Hitler war. Aber er war so alt, dass er nicht mehr eingezogen worden ist. Er hat mir von der Nachkriegszeit erzählt. Ich weiß noch, dass er erzählt hat: am 15. Mai 1955 hat sich der Opa zwei Monate davor einen Volksempfänger gekauft. Hat eh kein Geld gehabt, aber hat ihn sich geleistet. Und dann bin ich am 15. Mai mit ihm auf der Ofenbank gesessen, und dann sind um 11 Uhr Leopold Figl und die Staatsvertragsunterzeichnungsmächte auf den Balkon übertragen worden, wo Figl die Worte gesagt hat „Österreich ist frei“. Mein Opa hat nie geweint und in diesem Augenblick hat er wie ein kleines Kind vor Freude geweint. Da war er 80 Jahre alt. Und seitdem bin ich ein glühender Verfechter der Demokratie, der Werte der Freiheit, der Vielfalt, weil ich merke, was für ein Schatz das ist, wenn man das verloren gehabt hat. Für mich ist das sicher in meiner Einstellung ein Wendep...

weiterlesen

Wiederaufbau und Staatsvertrag Oberösterreich 20. Mai 2025

Braunschweiger Wurstradlmomente

Horst Stadler, Jg. 1945

Ich bin im Februar 45 geboren und ab 1955 im Almtal in die Schule gegangen und hab vom Krieg natürlich nichts mehr mitbekommen. Was ich aber mitbekommen habe, ist folgendes: Wir sind in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Ich bin aber jeden Tag satt geworden, weil wir haben einen Bauernhof in der Nähe gehabt, wir haben im Bauernhof gewohnt, also, ich hab genug Wasser gehabt und zum Essen, aber: wir haben natürlich ein ganzes Woche kein Fleisch bekommen. Und am Sonntag hat´s ein altes Hendl gegeben, das hat´s am nächsten Sonntag noch einmal gegeben, weil das hat länger gehalten, und am Samstag am Abend hat es etwas gegeben, was einmalig war und zwar hat´s am Abend für uns Kinder a Braunschweiger gegeben, und zwar aufgeschnitten in dünne Radln und die haben wir aufs Brot gelegt. Und da weiß ich heut noch, wie ich damals als kleiner Bub mit der Zunge allweil die Braunschweiger Radln vor mich hingeschoben hab übers Brot, und ganz zum Schluss, wenn das Brot fertig war, hab ich dann di...

weiterlesen

Versorgung Oberösterreich 20. Mai 2025

Über den Hohen Göll zu den deutschen Großeltern

Frau Seebacher, Jg. 1940

Ich leb hier in Braunau, also in Ranshofen. Braunau ist ja die Geburtsstadt Hitlers. Ich bin Jahrgang 40 und mein Bruder 42 und unser Vater stammte aus Westfalen und ist aber, als ich drei Jahre alt war, im Krieg gefallen. Meine Mutter hat dann nochmal geheiratet und wir hatten eine kleine Schwester, die war noch ein Baby und wir sollten die Ferien bei unseren Großeltern in Westfalen verbringen. Aber unsere Brücken waren ja gesprengt in Braunau. Und es gab keine Möglichkeit, nach Deutschland zu kommen. Auch nicht über die Staustufe ungefähr zehn Kilometer von hier weg, was meine Mutter alles versucht hat. Und so sind wir auf die Idee gekommen, nach Salzburg bzw. Hallein zu fahren. Mein Stiefvater und meine Großmutter haben uns begleitet, weil meine Mutter hatte ja das Baby. Und wir fuhren dort und gingen unter den Hohen Göll, da gab es eine Hütte genau an der Grenze. Und ich glaube, das war das Purtschellerhaus. Und da haben sich viele Menschen getroffen. Und von der anderen Seite ...

weiterlesen

Frauen, Mütter, Kinder Oberösterreich 20. Mai 2025

Meine Götzen sind vom Podest gefallen

Udo Saldow, Jg. 1929

Das Ende des Krieges war, wie gesagt, unglaublich chaotisch. Es waren unzählige Leute unterwegs. Opfer, Soldaten, Zivilisten. Sie wollten in den Westen, sie wollten von den Russen fliehen. Wir sind dann auch in den Westen gekommen. Wir sollten Waffen fassen und gegen die Russen kämpfen, obwohl keiner von uns je auch eine militärische Ausbildung oder eine Waffe in der Hand gehabt hätte. Wir wären also das reinste unbewusste Kanonenfutter gewesen, das man sich nur vorstellen kann. Gott sei Dank haben uns die Amerikaner überholt und somit war für uns der Krieg aus. Und dann kamen eben diese chaotischen Nachkriegstage, wo es eine Zeit gebraucht hat, bis irgendeine zivile Ordnung wieder eingetreten ist. Und dann war ich eine Zeit lang in Bad Ischl, denn meine Mutter war auch aus Wien geflüchtet. Dann hat man mir gesagt, wenn du, wenn du Lebensmittelkarten willst, dann musst du arbeiten. Und da kannst du entweder die Straße kehren oder mit einer Gruppe in den Wald gehen und Holz machen. U...

weiterlesen

Besatzungsmächte Wien 20. Mai 2025

Wodka auf Ex trinken rettete Cousine

Udo Saldow, Jg. 1929

Ich war 16 Jahre bei Kriegsende. Ich war, wie Alle, ein strammer, kleiner Hitlerjunge, das musste man ja sein, das war verpflichtend. Und es war auch nicht unlustig für uns. Wir waren nicht von Politik beleckt, nur von, wie sich dann herausgestellt hat, leerem Patriotismus. Und so gingen die letzten Tage des Krieges im Chaos und als eigentlich von uns empfundenes Abenteuer zu Ende. Mir fällt ein, dass zum Beispiel in der Wohnung meiner Großmutter zwei sowjetische Offiziere einquartiert waren, die sehr höflich und nett waren. Und ich hatte eine hübsche Cousine, etwas älter als ich. Sie war mal zu Besuch und die beiden Offiziere wollten sich diese Cousine aneignen und versuchten das damit uns betrunken zu machen. Also nicht mit Gewalt. Und ich erinnere mich, ohne je Alkohol getrunken zu haben, habe ich dann aus Wassergläsern den Wodka für meine Großmutter, für meine Cousine oder mich Ex getrunken. Und die Reaktion der Offiziere war überraschend. Sie haben mir Beifall geklatscht. Und...

weiterlesen

Besatzungsmächte Wien 20. Mai 2025

Mein Buch über die Nachkriegszeit

Othmar Nestroy, Jg. 1933

Episoden aus der Kriegs- und Nachkriegszeit in Wien

Othmar Nestroy: Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten. Episoden aus der Kriegs- und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge, Graz 2015. ISBN 978-3-85125-424-2 (Archiv und Bibliothek der TU Graz, Band 5) Auch als E-Book kostenfrei online lesbar auf der Website des Verlags der Technischen Universität Graz:

weiterlesen

Wiederaufbau und Staatsvertrag Wien 20. Mai 2025

Käse wie im Schlaraffenland

Renate Smola, Jg. 1934

In der letzten Kriegswoche hat man sich eine Woche in den Keller verfügt, in Liesing war das, im Brauhauskeller haben wir die Bombenangriffe überstanden und dort auch gewohnt eine Woche lang. Zur selben Zeit war schon das Kriegsende mit den diversen Umbrüchen. Da haben auch schon Plünderungen stattgefunden, darunter auch Aufbewahrungsstätten von Lebensmitteln. Meine Mutter hat mir im Keller gekochte Nudeln im Keller serviert, da sind Käfer rumgeschwommen. Auf einmal kommt ein riesengroßer, mannshoher Käselaib reingerollt. Der wurde geplündert. Ich habe immer gesagt, das war das Schlaraffenland, und danach ist die Hungersnot gekommen. Wir haben uns abschneiden können wie im Schlaraffenland, so viel wir wollten. Danach war nicht genug da, um die Bevölkerung in der ersten Zeit zu versorgen. Was auch symptomatisch war: man hat dann Lieferungen bekommen von anderen Ländern und wir sind unter der russischen Besatzungsmacht gewesen, die haben ja selber nichts gehabt. Die haben uns beliefer...

weiterlesen

Versorgung Wien 20. Mai 2025

Zeitzeugenberichte im Buch „Jugend unter Hitler“

Maria Grabner

Ich habe vor drei Jahren ein Buch über 25 Zeitzeugenberichte herausgegeben: die Interviewpartner:innen waren damals Jugendliche, deshalb heißt mein Buch auch „Jugend unter Hitler“. Sie haben den Krieg und Nachkriegszeit mitgemacht, sehr berührende Geschichten. Grabner, Maria / Watteck, Marina C. Jugend unter Hitler. Menschenschicksale im Dritten Reich – Zeitzeugen berichten. Kralverlag, 2021 Das ist im Kral-Verlag 2021 herausgekommen. Ich bin so froh, dass ich das gemacht hab und auch befreiend für die Menschen, dass sie das für die nachfolgenden Generationen erzählen konnten. Die Geschichten spielen in Wien, Niederösterreich, dem Burgenland und Kärnten. Eine Dame erzählt vom Todesmarsch in Brünn.

weiterlesen

Frauen, Mütter, Kinder Wien 19. Mai 2025