Abschreckung im Vordergrund
Kriegsangst: Experte beruhigt
Laut Atomenergiebehörde IAEA baut der Iran tatsächlich an einer Atomwaffe. Israel fühlt sich davon bedroht und denkt laut über einen Militärschlag gegen den Iran nach. Doch die Lage sei nicht so ernst, wie es den Anschein hat, meint der deutsche Iranexperte Volker Perthes.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 12.11.2011
Iranexperte Volker Perthes im Gespräch mit Johannes Marlovits
Iran setzt auf Abschreckung
Der Leiter der Stiftung Politik und Wissenschaft in Berlin, Volker Perthes, zeigt sich im Ö1-Interview noch nicht beunruhigt von dem Bericht der internationalen Atomenergiebehörde. Es gebe in der iranischen Führung noch keine Entscheidung, tatsächlich eine Atomwaffe zu bauen. Teheran wolle lediglich darauf vorbereitet sein, alles zu haben, was man dazu braucht. Außerdem seien Atomwaffen ohnehin nicht zum Einsatz vorgesehen, das sehe man auch aktuell im Konflikt zwischen Pakistan und Indien oder in der Vergangenheit im Kalten Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion. Ähnlich würden die Waffen auch zwischen dem Iran und Israel dazu dienen, einen möglichen Angreifer abzuschrecken. Im Schatten der Atomwaffen könne man aber auch ganz andere Dinge machen, etwa Terrorismus fördern. Und das sei auch die konkrete Sorge der Israelis.
Handels- statt Öl-Embargo
Dennoch sollte man gegen das iranische Atomprogramm etwas unternommen werden, meint Perthes. Eine neue Runde an Sanktionen mache aber nur Sinn, wenn eine Form des Auswegs aus der Spirale von Misstrauen und Sanktionen aufgezeigt wird. An ein Ölembargo glaubt Perthes nicht, dafür wären die wirtschaftlichen Interessen zu groß. "Man will nicht das iranische Öl vom Markt nehmen und damit eine erhebliche Erhöhung des Ölpreises riskieren." Leichter umzusetzen wären Sanktionen gegen iranische Häfen und die iranische Zentralbank. Das würde den Handel mit dem Iran wesentlich erschweren.
Diplomatische Schachzüge Israels
Die demonstrativ öffentlichen Drohungen Israels betrachtet Perthes als Teil der diplomatischen Auseinandersetzung und als Versuch, die internationale Gemeinschaft in Unruhe zu versetzen - nach dem Motto: "Wenn ihr, Europa, USA, Russland, China nicht eine neue Sanktionsrunde gegen den Iran vereinbart, dann könnten wir Israelis die Dinge selbst in die Hand nehmen."
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